2022 – auf was für ein Jahr blicken wir da wohl in der Zukunft zurück? Auf ein dunkles, weil so viel schief ging? Auf eines, in dem man noch hätte genießen können, was bald vollkommen wegfallen würde? Oder folgt bald eine Phase der Stabilität und des Auftankens? Ich wünsche jedem Leser und jeder Leserin Letzteres von Herzen und wende mich nun der Musik zu, die mich in diesem Jahr erfreute. 

Wie ich schon in einigen Kritiken feststellte: musikalisch war 2022 kein ertragreiches Jahr für mich. Und auch die Messlatte für die Liste der 10 Alben, die mich am meisten begeisterten ist eine deutlich niedriger anzusetzende als die von vor einem Jahr. 2021 konnte ich mich kaum retten vor Alben, die ich haben wollte und mein Konto konnte sich kaum retten vor den Abbuchungen, um die Alben zu erstehen. Also bin ich am Ende diesen Jahres immerhin vorbereitet für den Winter und erhöhte Heizkosten. 

Es gab aber auch einige Lichtblicke in einem Mehr an Durchschnittsware, die mich kaum zu berühren vermochten sowie die üblen Gurken, mit denen ich beginnen will: 

**Kapitel 1, oder warum folgende Alben wirklich nicht hätten sein müssen** In einer Flut aus durchschnittlicher Kost fanden sich in meinen Ohren oder meinem Player drei Alben, die mir besonders aufstießen. Das mag nicht alleine oder überhaupt an ihrer verheerenden Qualität liegen, bei einem Album bin ich mir sogar sicher, dass es einige Freunde fand. Aber alle drei hatten dieses gewisse Etwas, das mich ratlos ließ. [ColdWorld – Isolation](https://www.medienkonverter.de/artikel/coldworld-isolation) Beginnen wir bei der in meinen Ohren qualitativ besten Enttäuschung. Die Entwicklung des Projektes CorldWorld macht mich traurig, denn es ist für mich eines dieser Projekte, die etwas eigenes hatten, die einen ganz eigenen Sound, eine besondere Magie innehielten und diese dann für einen neuen Sound aufgaben. Ja, Entwicklung muss sein. Aber man sollte nicht nur das Besondere herausnehmen, ohne etwas Neues hinzuzufügen – Isolation ist meiner Ansicht nach vertonte Belanglosigkeit und das schmerzt. [St. Michael Front – Schuld und Sühne](https://www.medienkonverter.de/artikel/st-michael-front-schuld-suehne) Nicht nur die wütenden Kommentare in der Kritik geben mir Unrecht, auch die Reaktionen bei Liveauftritten ließen mich wissen, dass meine Haltung nicht allgemeingültig ist. Und trotz dem, was auch immer diese Band bei Fans auslöst: Ich höre nur verdammt generischen Neo Folk mit Fremdschäm Texten. Ich kenne weder die Musiker persönlich, noch habe ich etwas gegen den Sound ansich. Bin ja eher Fan von mit keyboard-Opulenz angereicherten Neo-Folk. Aber egal, wie und wann ich es versuche – ‚Schuld und Sühne‘ bleibt einer meiner Tiefpunkte des Jahres. [Sopor Aeternus – Todesschlaf](https://www.medienkonverter.de/artikel/sopor-aeternus-ensemble-shadows-todesschlaf) Hier kommt die Vorhölle in Dosen. Diese Scheibe ist keine Musik. Ich empfinde sie als Verarschung am Kunden. Die drei Ambientstücke hätte man gut nebenbei und für Lau ins Netz blasen können. Selbst wenn Anna Varney dafür verantwortlich ist, ist die Verbindung zum Projekt Sopor Aeternus genauso, als ob man Schokoeier unter dem Banner von Nokia verkaufen will. Selbst das Bild und die Aufmachung des Silberlings schreien nach Resteverwertung und schnellem Geld. Und dann 13 Euro. Wahnsinn. Ich weiß gar nicht, ob ich meinen alten Sopor Aeternus Sondereditionen in die Augen sehen kann, nachdem ich Geld für diese Grütze ausgegeben habe. Aber nun lassen wir die Gurken links liegen und blicken ins Licht: 

**Kapitel 2 und die wummernden Bässe der Unmoderne** [Suicide Commando – Goddestruktor](https://www.medienkonverter.de/artikel/suicide-commando-goddestruktor) Bei (etwas) härterer elektronischer Musik sieht es qualitativ in meinen Ohren so düster aus, wie es die Bands in ihren Texten versprechen. Nicht ein neueres Projekt konnte mich hinter dem Ofen hervorlocken, immerhin Denuits zweites Album war brauchbar, aber nicht wirklich außerordentlich. Drei ältere Semester ließen mich zumindest verhalten aufhorchen, aber während Hocico und Solitary Experiments die alten Gefühle nur etwas aufglimmen ließen, war es eine dritte Bastion düsterer Elektronik, die mir überraschend Freude bereitete. Dass Johan van Roy mir noch einmal mehr als ein akzeptierendes Schulterzucken entlocken würde kam für mich überraschend. Zwar ist sein neuester Streich fern von einem durchgehenden Knülleralbum, aber 1) kann ich (bis auf das Debüt ‚Critical Stage‘) kein Suicide Commando Album erinnern, bei dem es mehr als drei bis vier Treffer gab und 2) sind die Songs, die mir gut gefielen auf hohem Niveau. Es scheint fast so, als ob van Roy wieder etwas mehr an die Trademarks dachte, die sein Projekt so groß werden ließen. Die zweite Albumhälfte fällt deutlich schwächer aus, aber die ersten fünf Songs haben es in sich! 

**Kapitel 3 and a little bit of light in my life** [UV Pop – Sound of silence](https://www.medienkonverter.de/artikel/uv-pop-sound-silence) Puh, manches Jahr frage ich mich, ob mein Geschmack sich verändert, wenn sich in der Jahresbilanz haufenweise rockig-poppiges Material findet, mit dem man auf Familienfesten gar nicht wie gewohnt durchfällt. Das war in diesem Jahr nicht der Fall: Klar kamen da haufenweise nette Platten zusammen, an die ich mich in der Retrospektive aber kaum erinnern kann, geschweige denn an das Material, das sich auf ihnen befand. Zunächst dachte ich, dass selbiges auch für UV Pop gelten würde. Nebenbei gehört klingt alles etwas gleichförmig, ereignislos und nett, ich musste mir das Mögen erarbeiten, mit jedem Durchlauf aber gewann das Werk. Es ist ein Album der kleinen Gesten und versprüht einen Charm, der aus der Zeit gefallen scheint. Ich würde es nicht jedem empfehlen, aber wer irgendwo in der Grauzone aus The Cure, The Smiths und anderem, eher melancholischen Rock/Pop nach einer wertvollen Ergänzung für die Plattensammlung sucht, der darf sich dem mit einem skurrilen Coverartwork versehenen Album gerne nähern. 

**Kapitel 4 und der schwarzmetallische Leerlauf** Fall of Rauros – Key to a vanishing future Ich habe ein Herz für Pandabären und ihren lebensbejahenden Sound – Black Metal ist mir ungemein wichtig und wenn ich an 2021 und Këkht Aräkh denke, dann habe ich sofort wieder Freudentränen in meinen Augen. In diesem Jahr aber blieben Aha-Erlebnisse aus. Live sah ich viel Erfreuliches, auf der Bühne gewannen auch Bands, die auf dem Album nur okay erschienen (Ich denke da an Arð oder Imha Tarikat). Für meinen Plattenschrank aber gab es fast nichts Neues und Hoffnungsträger wie ColdWorld enttäuschten deutlich. Fall of Rauros aber konnten mit ihren achten Werk zwar nicht die gleiche Begeisterung bewirken, wie auf ‚Hail wind and hewn oak‘ oder ‚Vigilance perennial‘, das Niveau auf ‚Key to a vanishing future‘ ist aber hoch und vor allem funktioniert das zugegebenermaßen immergleiche Schema bei diesem Album erneut. Viel mehr sogar als bei den Kollegen von Saor, deren Werk in meinen Ohren und Geist wenig bewegte. Wer also ein weiteres, aber sehr hochwertiges Album schwarzmetallischer Melodik mit viel Zeit für eine schöne Atmosphäre sucht, der konnte dies 2022 bei Fall of Rauros finden. 

**Kapitel 5 und das Urvolk in mir** The Northman OST Auch bei rituellem, nordischen Folk war 2021 ein bahnbrechendes Jahr und die Töne wurden 2022 stiller. Erwähnen möchte ich Moirai, bei dem ich zwar bis heute nicht sagen kann, wie mir das Album gefällt, das aber immerhin eigene Akzente setzt. Und natürlich sollen auch Heilung mit ihrem neuen Werk erwähnt werden. Gut, sehr gut und voller Material, das zukünftige Live-Rituale bereichern wird. Mein Glück fand ich persönlich aber im Kino. Ich kann bis heute nicht sagen, ob mir The Northman wirklich gefallen hat – ich freue mich zwar, dass Art Haus Kino etwas mehr Öffentlichkeit erhielt, aber in meinen Augen hätte ich es mir mehr für andere Filme der Vergangenheit gewünscht. Der Fiebertraum eines wackeren Nordmannes war gute, aber keine großartige Kost, der Soundtrack aber lässt mich frohlocken: Deutlich näher am Ambient, als an wirklichen Melodien sind die 43 Titel auf dem Album kaum für sich stehend, im Gesamten gehört verbreiten die Sounds aber eine bedrückende, wunderbar hoffnungslose und kalte Stimmung. Genau das, was ich oft suche. 

**Kapitel 5 in Slow, deep and hard** [Messa – Close](https://www.medienkonverter.de/artikel/messa-close) Gleich zwei Vertreter aus doomigeren Gefilden schaffen es in diesem Jahr in meine Top 10. Eher ungewöhnlich, da nicht gerade mein bevorzugtes Genre, aber sei es drum, Hauptsache das Ergebnis stimmt. Bei den Italienern von Messa begann die Liebe direkt mit dem Coverartwork – was ein geiles Bild. Und wenn das Foto bei euch auch ähnliche Lust erzeugt, loszugrooven, wie bei mir, dann müsst ihr an das Knalleralbum irgendwo zwischen 70er Prog, Stoner Rock und ganz viel Doom reinhören. Da brechen Nackenwirbel, da vibriert das gute Geschirr in der Vitrine. [Darkher – The buried storm](https://www.medienkonverter.de/artikel/darkher-buried-storm) Jain Maiven kehrte in diesem Jahr mit einem zweiten Album zurück und wow, war das ein Glücksfall. Ich kann jedem, der auch nur ansatzweise Freude an doomig-atmosphärischen Klängen empfinden kann, empfehlen, diesem Werk ein Ohr zu leihen. Jede Minute von ‚The buried storm‘ bedeutet für mich Genuss und die Freude, die Lieder und diese faszinierende Künstlerin auch live erleben zu dürfen einer meiner Höhepunkte im musikalischen Jahr 2022. Und bevor ich in Superlative verfalle über ein doch eigentlich so stilles Werk, frage ich nur noch: Muss ich deutlicher werden? 

**Kapitel 6 und die Wanderklampfe** [Haavard – Haavard](https://www.medienkonverter.de/artikel/haavard-haavard) Zum Jahresabschluss noch ein kleines Wunderwerk: Håvard Jørgensen, der es in letzter Zeit durch seine Beteiligung bei Dold Vorde End Navn schwarzmetallisch typisch norwegisch unterwegs ist, erinnert mit seinem Solo Album Haarvard an das, was er in den 90ern tat. Ulvers zweites Album ‚Kveldssanger‘ ist DAS Album, wenn es um nordisch-mystischen und minimalen Folk im Umfeld des Black Metals geht. Ihm folgten unglaublich viele Projekte, die versuchten, die Magie und Einfachheit auf eigene Weise umzusetzen und ich habe für mich Tenhi und Byrdi als beste Vertreter auserkoren. Doch nach 26 Jahren zeigt Jørgensen, dass auch er genau weiß, wie man begeistert. Das Album ist reichhaltig und doch still, entspannt und dabei gleichzeitig spannend, harmonisch, bewegend und wirklich jedem empfohlen, der mit akustischen Alben und Folk auch nur rudimentär kokettiert. Wunderbar. [Current 93 - If a city is set upon a hill](https://www.medienkonverter.de/artikel/current-93-if-city-set-upon-hill) Ich kann nicht wirklich sagen, ob dieses Alben oder seine kaum zählbaren Vorgänger eine größere Zielgruppe haben könnten, als diejenigen, die bereits zu David Tibet gefunden haben. Diejenigen, die das Projekt mögen, stimmen mir vielleicht zu: in diesem Jahr forderte Tibet auf gewohnte aber eben doch sehr starke Weise, das Album war optisch zauberhaft gestaltet und die Menge an gutem bis wunderbarem Material deutlich gegeben. Es ist erstaunlich, wie konsequent dieser Mann es schafft, seine eigenwillige Musik Dank hervorragender Gastmusiker und einer nicht nachlassenden Glut emotionaler Energie immer wieder neu und ein klein wenig anders zu verpacken. Ich könnte allen, die das Projekt nicht kennen, kaum sagen, wo man anfangen soll in der Diskographie – aber man macht gewiss nichts falsch, wenn man es mit ‚ If a city is set upon a hill‘ versucht. Nicht der leichteste Einstieg, aber ein ergreifender. 

**Kapitel 7 und die wunderbare Welt des Dungeons** [Paths of the eternal – Quest for the sacred blade](https://www.medienkonverter.de/artikel/path-eternal-quest-sacred-blade) Auch wenn die Ausbeute auch im Dungeon Synth 2022 nicht ganz so reichhaltig ausfiel und feste Größen wie Fvrfvr, Errang, Vandalorum und Gnoll eher enttäuschten (oder zumindest mich nicht bewegten), gab es auch wirklich schöne Lichtblicke. Ulk, Sequestered Keep und Fornaldarsögur veröffentlichten wirklich schöne Werke, der Split von Örnatorpet und Isegrimm war episch und mitreißend und wer es etwas spezieller mag, dem seien die drei ‚Arda's Herbarium‘ Veröffentlichungen von Ithildin ans Herz gelegt: Einen Soundtrack zu schaffen, der sich ausschließlich der Fauna Mittelerdes zuwendet ist so skurril wie leichtfüßig und das Ergebnis in jedem Fall respektabel. Doch es gab da zwei Alben, die einfach diese Liste anführen müssen. Und wir beginnen mit: …einer wundervollen Reise in fantastische Welten. Ich weiß, das gilt für viele Dungeon Synth Alben, ist es ja quasi der Sinn dieses eigenwilligen Genres. Das fünfte Album von Paths of the eternal ist aber eine wirklich runde Sache – kein Titel fällt heraus, in seiner Gesamtheit erzählt es fast schon eine Geschichte. Mir jedenfalls fiel es leicht, mich für etwas mehr als 40 Minuten hinwegzuträumen, um danach wieder in den Alltag zurückzukehren. Es gibt verdammt viele Dungeon Synth Alben, aber nur selten scheint irgendwie alles zu stimmen. Hier ist das der Fall. [Tales under the oak – Swamp kingdom](https://www.medienkonverter.de/artikel/tales-under-oak-swamp-kingdom) Ja, und so kommen wir zu meinem Album des Jahres 2022 - Keyboardklänge, die melodisch die Lebenswelt von glibschigen Amphibien aufarbeiten. Paths of the eternal haben ein nahezu perfektes Gesamtkunstwerk geschaffen, dass zeigt, was Dungeon Synth kann und sicherlich werden einige Rollenspiel Gruppen dieses Album als Soundtrack für finstere Abenteuer voller Helden nutzen. Jedoch sehe ich im zweiten Werk von Tales under the oak noch etwas mehr. Denn die neuesten Klänge aus dem ‚Swamp kingdom‘ sind nicht nur skurril, sondern sie haben neben sieben wirklich schönen Stücken voller zarter Melodien etwas, was der große Teil der Dungeon Synth Künstler vermissen lässt: Tales under the oak haben einen sehr eigenen Sound und damit hohen Wiedererkennungswert. Das liegt nicht nur am fröhlichen Quaken, das so manchen Song einleitet, sondern daran, dass alles leichtfüßig und schwebend, fast schon magisch klingt und es mir als Hörer ausgesprochen leichtfällt, mich fallen zu lassen und auf einem Blatt wiederzufinden, das durch eine wundervoll erleuchtete Sumpflandschaft treibt. 

Ich hoffe wirklich, dass meine Zeilen den ein oder anderen bewegen, sich diesem Genre zu nähern. In Zeiten der Unsicherheit, der Halbwahrheiten und Krisen brauche ich sicherlich oft aufrüttelnden Lärm, wütende Texte oder Rhythmen, die mich in Bewegung halten. Doch sehr oft hilft mehr der Dungeon Synth, mich einzulullen und mir Hoffnung, Ruhe und vor allem Kraft zu geben, um dem Unerfreulichen erneut lächelnd entgegenzublicken. Und Tales under the oak gelang dies 2022 in besonderen Maße mit ihrem zweiten Werk. Das dritte Album, das dieser Tage auf Bandcamp veröffentlicht wurde, hat mich nach bisherigen Durchläufen nicht ganz so überzeugt, da sich etwas zu wenig wirklich schöne Kost darauf findet und diese durch kurze Passage unterbrochen werden, in denen ein Narrator eine Geschichte erzählt. Mich irritieren diese Passagen beim Gesamtdurchlauf, reißen sie mich doch aus der Trance, in die mich die Titel versetzen. Also haltet euch an Album Nummer zwei! Ja, und damit bin ich am Ende meines Senfs, wenn es um die Alben des Jahres geht. Wieder sehr subjektiv und sicherlich nicht immer im Einklang mit euren Eindrücken, oder? Ihr könnte ja gerne die Kommentare fluten! Ich wünsche in jedem Fall allen hier Reinschnupperenden ein frohes Fest, schöne Feiertage und einen guten Rutsch. Mal sehen, was 2023 so bringen wird – ich wünsche jedem von uns, dass die Perlen positiver Erlebnisse überwiegen. Auf bald