Eine Schwank aus meiner Jugend: In den 90ern war noch nicht ganz so viel Internet und in meinem württembergischen Kleinstadtidyll war der Zugriff auf seltsame Musik, die über die Bravo Hits hinausgingen, sagen wir mal, eingeschränkt. Wie gut, dass es in der etwas entfernten Großstadt einen Fachhandel gab, ein Traum für orientierungslose Ortientierungssuchende. Und immer, wenn es mir möglich war, trat mein minderjähriges Ich die Reise an, um Neues zu entdecken. Ganz oft kaufte ich Aufgeschriebenes oder hörte über Stunden in Alben rein, bevor ich die Geldbörse zückte. Dann und wann aber kaufte ich einfach nach Cover und hatte oft Glück. Die besten Treffer führten mich zu Avrigus und Sopor Aeternus, aber es war aufregend, weil man sich ja mehr Mühe gab, ein Album zu hören, wenn man die Investition gewagt hatte – selbst bei Blindflügen. Und warum schreibe ich das hier: Erstmals nach über 20 Jahren habe ich mir ein Album einer mir unbekannten Band gekauft, ohne Reinzuhören. Zack. Und es hat sich gelohnt. Willkommen zu Messa und ihrem dritten Werk ‚Close‘.
Wenn ich die drei Personen sehe, die da kraft- und hingebungsvoll tanzen, dann fühle ich mich mitgerissen, euphorisch und gestärkt. Was für ein wundervolles Coverartwork – mir war Quasi egal, was sich wohl dahinter verbirgt. Dass es sich dann aber auch um ein saustarkes Album für ein relativ weites Publikum handelt, war wohl Fügung: Zentral ists wohl Doom Metal, was die vier jungen Leute aus Italien da zocken. Ich merke aber auch, dass meine Synapsen für Stoner Rock, ganz frühen Heavy Metal und 70er Prog anspringen. Und das Ganze ist gepackt in entspannte Rockmucke, die da fast wie bei einer Jam-Session fließend zu entstehen scheint. Nicht zu sauber abgemischt, schön tief gestimmt und durch dichte Rauchwolken an das Ohr dringend fetzen die Tracks. Zusätzlich verwendet die Band Elemente aus der Folklore und schreckt auch nicht vor jazzigem Saxophoneinsatz. Und getragen und entspannt wird das Ganze durch den unaufgeregten, sehr an 70er Jahre erinnernden weiblichen Gesang. Dadurch fällt die Härte weniger hart aus und die Melodien berühren doppelt. Und das Beste? Die Band hält auf der gesamten Stunde Mucke ein ungemein hohes Niveau, grooviges Dröhnen, den ich gerade genieße, während ich im Garten die ersten Sonnenstrahlen genieße. Ja, Messa sind für die Sonne geschaffen und stimmen mich froher, als 99% aller Sommerhits.
Reinhören! Das ist meine Empfehlung an eine unbestimmt große Zielgruppe. Da können alte Zausel, die in den 70ern hängengeblieben sind mal sehen, ob die Getarren zu sehr drücken. Doomer überlegen sich, ob ihnen das ganze zu entspannt rüberkommt und Stoner Rocker gewöhnen sich an die gezogene Handbremse. Aber alle, wirklich alle sollten ein Ohr wagen. Und ich? Ich stelle mir nun die Platte in die Vitrine und groove anschließend ausgelassen durch den Garten, wie die drei Personen, die mir entgegenbangen. Geil.
Messa
Close
Svart
11.03.2022
https://messaproject.bandcamp.com/album/close
01. Suspended
02. Dark Horse
03. Orphalese
04. Rubedo
05. Hollow
06. Pilgrim
07. 0=2
08. If You Want Her To Be Taken
09. Leffotrak
10. Serving Him