Dies ist der vierte Teil der On The Floor Werkretrospektive. Zum ersten Teil geht es hier, zum zweiten hier, zum dritten hier.

Ganz nach dem Motto 'Gut Ding will Weile haben' kommt nur ein Jahr nach dem Comeback-Longplayer "Made Of Scars" das nächste Album der Hamburger Gothic-Rocker auf den Markt. Ganz so, als wenn sich die aufgestaute Kreativität der vierzehnjährigen Auszeit plötzlich und ungehemmt Bahn bräche. Tatsächlich finde ich es bewundernswert, dass On The Floor nach dieser langen Zeit immer noch in der gleichen Besetzung unterwegs sind. André Lindner und Henning Thurow an den Gitarren, Andrés Bruder Dennis am Bass und die markante Stimme von Helge Jungmann bilden ein merklich eingespieltes, harmonisches Team. Allerdings besteht nach so langer Zeit tatsächlich auch die Gefahr, dass sich Routine einstellt und auch die Resultate dann eher beliebig werden. Wie sieht das auf dem inzwischen dritten Langspieler der Hamburger aus?

Spoiler: Es ist ein sehr gutes Album. Der Titeltrack besticht durch seine brodelnde Ruhe und die Steigerung im Verlauf des Songs. "Calling" kommt sehr grooven daher und die Gitarren-Hooklines gefallen mir besonders gut. "Catch My Fall" komplettiert den Hattrick an perfekten Songs mit seinem leicht orientalischen Feel, dem interessanten Groove und besonders den Refrains. Zeit für etwas Ruhigeres mit "All That Was", was dann auch leider (wieder) zu schnell vorbei ist; die hymnischen Refrains haben es mir wirklich angetan. Und mit "Move On", "Some Say" "We Light The Sky" gibt es den nächsten Hymnen-Hattrick. Die Kontinuität, mit der sich hier Highlight an Highlight reiht ist schon bemerkenswert. Dafür fällt die verträumte Ballade "Riverborn" wieder etwas ab - aber vielleicht bin ich auch einfach nur nicht in der richtigen Stimmung. "This Time" mit seinen schönen Melodien und sparsam eingesetzten Synthlines ist ein weiteres Highlight. "Heavy Black" mit seinen verzerrten Vocals, die tolle Ballade "The Damage & The Distance" und nicht zuletzt der düstere Rausschmeißer "Shed My Skin" sorgen dafür, dass ein gelungenes Album ein solides Ende findet.

"Lifetime" ist erneut ein mit zwölf Songs gut ausgestattetes Album, auf dem sich mit bestem Willen kein 'Ausschuss' finden lässt. Insgesamt eher ruhiger gehalten als die Vorgänger, so strotzt "Lifetime" doch von gelungenen Songs. Tolle Harmonien, toller Gesang und auch der Synthesizer ist kein störendes Element, sondern eine willkommene kreative Bereicherung. Zusammengefasst gefällt mir "Lifetime" etwas besser als "Made Of Scars", wobei wir hier doch tatsächlich auch eher von Nuancen sprechen. Die Stärken liegen weiterhin eindeutig in den mehr als soliden Arrangements, insbesondere die Gitarrenarbeit gefällt mir sehr. Die sparsame Instrumentierung schafft dann auch genau die richtige Atmosphäre und beweist einmal mehr, dass weniger tatsächlich mehr ist.