VNV Nation: „Silence Speaks“, „Station 21“ – und dann? Ein Rückblick mit Blick nach vorn

VNV Nation Silence Speaks, Station...

Vor einem Vierteljahrhundert, ich denke es war am 3. April 2000, lief ich noch durch das Müller-Kaufhaus im Münchner Tal und fragte jeden Verkäufer nach einer Scheibe, die damals im Shop kaum jemand kannte: Burning Empires. Erst der Lehrling kramte dann irgendwann ein Exemplar aus der hintersten Ecke, und in unserem damligen Review notierte ich erleichtert: „…die CD – welche im letzten Eck versteckt wurde – konnte doch noch käuflich erworben werden.“ Schon nach den ersten Takten überschlugen sich damals die Superlative: Die alternativen Club-Mixe von „Legion“ oder „Saviour“ klangen frischer als ihre Albumversionen, und der neue Track „Further“ war mir die 30 DM quasi allein wert. Dass die Auflage von gerade einmal 4 700 Stück später beachtliche Sammlerpreise erzielen würde, konnte sich 2000 irgendwie noch niemand ausmalen.

Fünfundzwanzig Jahre später hat sich die Musikwelt radikal gewandelt: Statt silbernen Discs wartet ein globales Streaming-Archiv; doch Burning Empires klingt immer noch zeitlos und dient vielen Fans (und auch mir) als Brücke zwischen dem epischen Empires-Album und den hymnisch-melodischen Höhen von Futureperfect. Für mich ist diese EP bis heute die verdichtete Essenz dessen, was VNV Nation im Kern ausmacht: Pathos, Tanzbarkeit und ein Gespür für die große Musik.

Genau hier setzt nun aber doch die Gegenwart an – und sie macht mich unsicher. Am 21. März 2025 erschien „Silence Speaks“. Der Song ist brillant produziert, melancholisch, eben typisch VNV Nation – aber das erhoffte Aha-Erlebnis blieb zumindest bei mir aus. Ich schrieb damals vorsichtig, dass „ das große ›Wow‹ leider ausbleibt“; die Nummer wirke „schön, glatt, ein bisschen brav“. Kaum vier Wochen später folgte dann „Station 21“. Auch hier stimmen Handwerk und Hymnik, doch das Déjà-vu-Gefühl war unüberhörbar: sauber, tanzbar und mir einen Tick zu vorhersehbar. Gerade weil VNV Nation sich stets neu erfinden konnte, irritiert mich diese bequeme musikalische Selbstähnlichkeit.

Und doch knistert es wieder vor Erwartung. Jetzt am 9. Mai soll 'Construct' erscheinen – laut Band ein „expressives, positives Werk voller Bewegung, Introspektion und epischer Elektronik“. Wenige Monate später soll das Schwesteralbum 'Destruct' als düsteres Gegenstück folgen. Zwei Alben, zwei Pole – ein Konzept, das Großes verspricht und zugleich die Frage aufwirft, ob die jüngsten Singles wirklich den Maßstab für das Gesamtwerk setzen!? Ich bin mir igendwie unsicher ...

So stehe ich heute zwischen Furcht und Freude: In der einen Hand die Erinnerung an Burning Empires, diese funkelnde Sternstunde von 2000; in der anderen die beiden aktuellen Singles, die zwar tadellos, aber eben auch formelhaft klingen. Vielleicht sind „Silence Speaks“ und „Station 21“ nur die sanften Vorboten eines kreativen Sturmgewitters. Vielleicht bleibt es bei gepflegter Routine. Ich wünsche mir aber irgendwie das Risiko von damals zurück – und ahne doch, dass gerade diese Unsicherheit den Reiz an VNV Nation ausmacht. Wenn Construct und Destruct erscheinen, werde ich jedenfalls wieder vor den Lautsprechern sitzen wie einst im Müller-Regal: mit pochendem Herzen, bereit für Enttäuschung oder Ekstase – und mit der Gewissheit, dass VNV Nation mich nach 25 Jahren immer noch erzittern lassen kann.

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