Violet Nox - Silvae

Violet Nox - Silvae

Mit ’Silvae’ beweisen ’Violet Nox’, dass elektronische Musik gleichzeitig erdig und kosmisch sein kann. Dass Synthesizer atmen dürfen. Und dass man mit Maschinen durchaus etwas erschaffen kann, das sich organisch, warm und beinahe lebendig anfühlt. Das Trio aus Boston bewegt sich dabei souverän jenseits klassischer Club- oder Ambient-Konventionen und erschafft hier einen Sound, der weniger nach einzelnen Songs klingt als nach einem Zustand, in den man eintaucht – freiwillig und idealerweise ohne Zeitdruck. Und dass ’Silvae’ bereits das achte Album von ’Violet Nox’ ist, hört man diesem Werk an. Nicht im Sinne von Abnutzung oder Routine, sondern als Ausdruck von Selbstverständlichkeit. Hier will niemand mehr beeindrucken, hier muss nichts mehr bewiesen werden. Stattdessen setzt die Band mehr auf Dinge wie Atmosphäre, Geduld und das Vertrauen darauf, dass Tiefe nicht durch Lautstärke entsteht, sondern durch Konsequenz.

Musikalisch bewegt sich ’Silvae’ in einem weit verzweigten, interessanten und elektronischen Biotop. Ambient, Techno, Dark Wave, Psy-Trance, Dub, und sogar entfernte Rave-Impulse tauchen auf – allerdings nicht als loses Stil-Puzzle, sondern als fließende Einheit. Das Album fühlt sich dabei weniger wie eine klassische Songsammlung an sondern eher wie eine zusammenhängende Klanglandschaft, die sich langsam verändert, während man sich durch sie bewegt. Besonders angenehm: ’Silvae’ klingt gar nicht steril. Trotz aller elektronischen Mittel wirkt der Sound warm, fast greifbar. Synthesizerflächen wabern, Effekte schimmern, Rhythmen pulsieren eher, als dass sie antreiben. Die Beats funktionieren mehr als innerer Puls denn als direkter Tanzflächenbefehl. Tanzbar ist das durchaus – aber eher im Kopf, mit geschlossenen Augen, irgendwo zwischen Waldlichtung, im Nebel und unter dem nächtlichem Sternenhimmel.

Die Vocals fügen sich dabei für mich nahtlos ins Gesamtbild ein. Sie stehen irgendwie gar nicht im Vordergrund, drängen sich nicht auf, sondern werden wie ein weiteres Instrument eingesetzt: ätherisch, schwebend, manchmal fast geisterhaft. Genau das verstärkt den Eindruck, dass es hier weniger um klassische Songdramaturgie geht, sondern um Raum, Stimmung und das bewusste Verlieren in Klang. Wer ’Violet Nox’ bereits vom Vorgänger ’Hesperia’ kennt, wird sich auf ’Silvae’ schnell heimisch fühlen. Die Band bleibt ihrem atmosphärischen Ansatz treu, wirkt hier jedoch fokussierter und geerdeter. Wo ’Hesperia’ noch stärker in offene, weite Klangräume blickte, zieht sich ’Silvae’ bewusst zurück – dichter, organischer, fast wie ein Schutzraum aus Synthesizern und Texturen. Für mich fühlt sich das weniger nach Neuanfang als nach einer konsequenten Weiterentwicklung an, bei der Feinjustierung wichtiger ist als Neuerfindung.

Thematisch kreist ’Silvae’ um Natur, Kosmos, Mythologie, Identität und Zukunftsvisionen. Das klingt zunächst nach großer Geste, wird hier aber angenehm unaufgeregt umgesetzt. Kein esoterischer Overkill, kein bedeutungsschweres Pathos. Stattdessen entsteht das Gefühl eines Rückzugsortes – Musik als elektronisches Refugium, als Ort zum Innehalten und Durchatmen. Was mir persönlich besonders gefällt: ’Silvae’ will gefühlt gar nichts erzwingen. Es schreit nicht nach Aufmerksamkeit und es fordert keine sofortige Reaktion. Es wartet. Und genau darin liegt seine Stärke. Wer bereit ist, sich für dieses Release Zeit zu nehmen entdeckt vermutlich mit jedem Durchlauf neue Details und Nuancen. Das ist keine Musik für den schnellen Effekt, sondern für längere Abende, gute Kopfhörer und eine gewisse Bereitschaft zum Loslassen.

’Silvae’ von ’Violet Nox’ ist damit ein Album für Hörerinnen und Hörer, die elektronische Musik als Erlebnis begreifen – nicht als bloße Hintergrundbeschallung. Fans von Ambient, Dark Wave, psychedelischer Elektronik und atmosphärischen Klanglandschaften dürften hier sehr viel entdecken. Auch für mich ist ’Silvae’ kein Album für jeden Moment, aber definitiv eines für die richtigen. Und wenn dieser richtige Moment kommt, funktioniert diese elektronische Reise zwischen Wald und Weltraum erstaunlich gut – leise, konsequent und mit nachhaltiger Wirkung.

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