Entangled System - Exclusion Zone

Entangled System - Exclusion Zone

'Entangled System' ist ein noch ein ganz junges Projekt aus der Ukraine, welches sich aber tief in die düsteren Schichten der Vergangenheit eingräbt – wortwörtlich. Mit ihrem Album 'Exclusion Zone', erschienen am 15. Juli 2025, widmet sich das Projekt einem der schwersten Kapitel ukrainischer Geschichte: nämlich der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl und der daraufhin errichteten Sperrzone. Die zehn Tracks des Albums sind damit nicht bloß Titel auf einer Tracklist, sondern auch Kapitel eines bedrückenden Hörbuchs aus Ruinen, Strahlung und stillem Verfall.

Dabei ist Entangled System nicht das erste Projekt, das den atomaren Schatten über Europa musikalisch verarbeitet. Schon im Jahr 2009 setzte Der Blaue Reiter mit dem Sensationsalbum Nuclear Sun einen finsteren Meilenstein – orchestrale Düsternis, martialische Dramatik und eine fast opernhafte Wucht prägten das Werk. Im Vergleich dazu wirkt Exclusion Zone karger, intimer, direkter – es verzichtet auf Bombast und konzentriert sich auf das Fühlen statt das Darstellen. Wo Nuclear Sun explodierte, rieselt Exclusion Zone wie radioaktiver Staub durch Ritzen aus Beton und Zeit.

Was das Album so besonders macht, ist die konsequente Klanggestaltung: Hier wird Dark Ambient in seiner reinsten, kompromisslosesten Form zelebriert – mal mit industriellem Einschlag, mal mit beinahe geisterhaftem Minimalismus. Statt pathetischer Samples oder klischeehaftem Geigerzähler-Geknarze setzt Entangled System auf Tiefe, Dichte und subtile Details. Jeder Track wirkt wie eine akustische Fotografie, geschossen mit einem Dosimeter und entwickelt in einem verlassenen Kontrollraum. Die Musik bleibt dabei stets kontrolliert. Kein Laut ist zufällig, keine Melodie drängt sich auf. Stattdessen entsteht ein Raum, der nicht einlädt, sondern gefangen nimmt – ein Labyrinth aus Echo, Stille und kaltem Licht. Die Tracks folgen keiner klassischen Dramaturgie, sondern entwickeln sich wie Landschaften, die sich im Dämmerlicht zeigen – langsam, unaufhaltsam, ausdrucksstark. Silent Core, Groaning Buildings oder Perimeter Of Death sind keine Musikstücke im klassischen Sinne, sondern vielmehr Zustände, in denen man sich verliert. Und dann ist da Pripyat – so leer wie die Stadt selbst, so melancholisch wie ein rostiges Kinderkarussell im Nebel.

Exclusion Zone erzählt nicht vom Reaktorunglück selbst, sondern von dem, was bleibt: eine Welt ohne Menschen, aber nicht ohne Präsenz. Es ist, als würde die Sperrzone selbst Musik machen – leise, beunruhigend und unerbittlich. Und gerade angesichts der aktuellen Entwicklungen wirkt das Thema bedrückend aktuell. Dass Russland, das Erbe der Sowjetunion, heute wieder mit atomarer Infrastruktur spielt, als wäre seit 1986 nichts passiert, wirft einen bitteren Schatten auf dieses Werk. Die nukleare Gefahr ist eben nicht Geschichte, sondern erschreckende Gegenwart – nicht nur in der Ukraine, sondern global.

Fazit: Leicht verdaulich klingt anders – Exclusion Zone verlangt Mut zur Stille, zum Aushalten, zum Dazwischen. Wer sich auf diese tiefdunkle Klangreise einlässt, durch verstrahlte Landschaften, verlassene Städte und die Echos menschlichen Versagens, wird mit einem der atmosphärisch dichtesten Alben des Dark Ambient-Jahres belohnt. Für Fans von Cryo Chamber, Atrium Carceri, Kammarheit – oder eben Der Blaue Reiter – ist das hier Pflichtprogramm. Für alle anderen: nur eintreten, wenn man bereit ist, sich in den Schatten menschlicher Hybris zu verlieren.

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