„Verehrt und angespien“ - dieses Motto, das sich in gewisser Weise durch das ganze bisherige In Extremo-Werk zieht findet sich auch auf dem neuesten Silberling „Mein rasend Herz“ wieder und zwar im Text der im Vorfeld ausgekoppelten Single „Nur ihr Allein“. „Verehrt und angespien“, diese Begriffe fallen einem beim Hören des Albums auch im übertragenen Sinne ein. Verehrenswert zunächst einmal das sehr schöne Booklet, dessen Cover ein altes Segelschiff im Unwetter ziert und dessen Inneres schöne schwarzweiß-Fotos der Bandmitglieder im Piratenlook zeigt.

Das Thema Seefahrt taucht in den Texten immer wieder auf und bildet gewissermaßen einen roten Faden. Verehrenswert sind zudem einige Highlights, die der vorliegende Longplayer bereithält. Hierzu möchte ich das „Wessobronner Gebet“ zählen, dessen teils liebliche von Flöte, Harfe und Trommel getragene, teils krachig gitarrenlastige Interpretation an die „Merseburger Zaubersprüche“ erinnert, die sich auf früheren Veröffentlichungen befinden. Ein weiteres Highlight ist „Tannhuser“, das beinahe schon traditionell mit Saiteninstrumenten und Schlagwerk umgesetzt wurde, und den Hörer nicht zuletzt dank des mittelhochdeutschen Textes direkt in's 12. Jahrhundert zurückversetzt. Auch das nachfolgende „Liam“, ebenfalls ein „Seemanns-Lied“, überzeugt durch seine in einer alten Sprache (gälisch?) abgefaßten Lyrics sowie durch ein schönes Flötensolo am Anfang. Der Track ist geprägt von einem ausgewogenen Arrangement, in dem die Gitarren zwar im Hintergrund zu hören sind und dem Song eine gewisse Dynamik verleihen, sich jedoch nicht vordrängen, sondern die Hauptrolle den Flöten und Harfen sowie den Vocals überlassen.

Sänger Micha wird hier von Rea Garvey unterstützt, der vielen von Euch sicherlich als Frontmann von Reamonn bekannt sein dürfte. In Extremo haben sich auf diesem Album übrigens noch andere Gäste eingeladen. So ist bei „Horizont“ erstmals eine weibliche Stimme zu hören, die Marta Janova's von Die Happy. Eine gelungene Abwechslung, die durchaus öfters einmal zum Tragen kommen sollte. Des weiteren werden die Spielleute bei „Singapur“ und „Poc Vecem“ von Robert Beckmann (ex Inchtabokatables) verstärkt. Während die oben beschriebenen Titel, wie schon gesagt, eindeutig auf der „Verehrt-Seite“ zu verbuchen sind, dümpeln die übrigen eher auf Durchschnittsniveau dahin. Natürlich rocken die Gitarren wieder ordentlich, natürlich dominiert wieder die unverkennbare Stimme des „Letzten Einhorns“ und natürlich werden wieder reichlich Akzente mit den Dudelsäcken oder anderen mittelalterlichen Instrumenten gesetzt, trotzdem reicht das nicht, um mich wirklich vom Hocker zu hauen. Songs wie z.B. der Opener „Raue See“ oder „Spielmann“ eignen sich ganz bestimmt hervorragend dazu, auf diversen Festivals die Metal-Fraktion zu begeistern, mir sind sie jedoch was Melodie und Arrangement betrifft etwas zu einfach gestrickt.

Den Tiefpunkt des Albums stellt ausgerechnet die Single-Auskopplung „Nur ihr Allein“ dar. Dieser Titel hat so gar nichts mehr mit den In Extremo-Songs, wie wir sie kennen, gemein. Zudem enttäuscht die dürftige Spiellänge der CD von nur 48:29 Minuten. Die nett gemachte Multimedia-Sektion kann dies nicht wirklich wettmachen. So bin ich nach dem Hören des Albums „Mein rasend Herz“ tatsächlich hin- und hergerissen zwischen „verehrt und angespien“. Mit viel gutem Willen und dank des hervorragenden Titels „Liam“, dessen deutsche Version sich auf der limitierten Ausgabe als Bonus-Track befindet, kann ich mich gerade noch zu 3 ½ Sternchen durchringen.