Vorahnungen müssen sich nicht immer bestätigen. Und das ist verdammt gut so. Das vorliegende Werk des niederländischen Trios XMH bereitete mir beim Auspacken und der Bookletsichtung ein wenig Sorgen. Das nicht wirklich künstlerisch wertvolle Cover und der „Ach heute war das Fotoshooting? Man, ich hab gar nicht mein Glücksshirt an“ Gesichtausdruck der drei Musiker – das sieht alles etwas verkrampft gewollt aus. Dazu der Albumtitel 'In your face'.... na Prost. Also AggroTech, die hundertneunte? Nicht so ganz: "The business" holt mich aus dem Vorahnungstief raus und zieht mich auf wohlwollend-kopfnickendes Niveau empor. Zu Beginn ein wenig Suicide Hocico aufgreifend verfällt man schnell in eine Amduscia Rage ohne Geisterfauchklischees zu bedienen. Sehr angenehm ehrliche Vocals (Richtung Fractured), der weibliche Gegenpart wunderbar gelangweilt und kalt. Die Beats und Melodien zwingen auf die Tanzfläche, der Text zwingt einen nicht lachend oder kopfschüttelnd in die Knie - meine Damen und Herren, wir haben einen Kauftipp...... ach so, war erst Lied 1. Na dann mal weiterhorchen: flott und trancig geht es weiter, die Kapitalismuskritik "Product" überzeugt mich noch deutlicher Dank eines wavig-melodiösen Refraingesangs inmitten der Beatballerei. Samples sind gekonnt in Szene gesetzt, nehmen aber nicht den zentralen Stellenwert ein wie bei anderen Bands (bei denen die Samples einzige Daseinsberechtigung bleibt). Ein wenig Drum'n'Base wird bei "Snakes" vom Bass erschlagen, solider Track. "Forever" und "Great and unfortunate things" (dessen ruhigere Gangart mich an Rotersand oder Covenant erinnert) wünsche ich einige Runden in den Tanztempeln unserer Nation: sie würden die Durchschnittstitel locker toppen und zeigen, wie die bekannten Stilmittel spannend eingesetzt werden können und wie eine lebendige Produktion und fehlende Coolness- oder Böse-Attituden der Musik Gutes tun. "Failing technology" ist ein düster-langsamer Stampfer der mit Violinensamples schön schwer die Stimmung dämpft. Es folgen leider auch Tiefpunkte des Albums: Nach dem schrecklich misslungenen Titeltrack, der melodisch vollkommen zum Albumtitel passt (= platt und hau-drauf) bietet "Stiere und Schwule" all das, was ich vom gesamten Oeuvre erwartet hatte: Standard IDM und ein Sample aus Full Metal Jacket auf Dauerschleife (die gesamte Szene rund um "Nur Stiere und Schwule kommen aus Texas, Private, und wie ein Stier sehen sie nicht gerade aus"). Ja, insgesamt ist in der zweiten Albumhälfte die Kreativ-Luft raus und es regiert der (toll in Szene gesetzte aber wenig ergiebige) Standard. Doch der Abschlusstrack versöhnt dann doch noch einmal: durch die orchestrale Instrumentierung fällt "The one that ends it" zwar deutlich aus dem Rahmen, aber so ein Ende mit einem Tusch ist was Feines. Saustarker Beginn, uninspirierter zweiter Teil.... 'In your face' macht XMH zwar nicht zu meiner neuen Lieblingsband, aber dennoch bietet es Knaller, denen ich eine Tanzflächenkarriere wünsche. Hut ab vor einem Trio, dass die Genreklischees zum Teil gekonnt umschifft und ohne Radneuerfindung doch erstaunlich frisch klingt. Der zweiten Hut ziehe ich vor den Texten: kein Murder-Death-FickiFacki sondern gelungene Systemkritik ohne grobe Plattheiten. Fanfaren und Ouvertüren kann das nächste Album bringen, wenn man sich auf der gesamten Spielzeit spannend austobt und man sich bei der Programmierung noch mehr traut, nicht wie die anderen zu klingen. Ps.: Das offizielle Video zu "The Business" ist geeinget um mit optischen und dramaturgischen Klischees zu verschrecken und gleichzeitig mit der Musik zu erfreuen - zweiter Link.