Immer wieder kommt es vor, dass mir bislang unbekannte Acts nach einem Review ihrer aktuellen CD anfragen. Mike Hoffmann, nach dem Ausscheiden seines Kompagnons Matt Clennen die verbliebende Hälfte des Duos „Level 2.0“, schickte über einen befreundeten spanischen Promoter die digitale Version seines Albums „Reminiscence“ rüber und fragte nach einer objektiven Einschätzung des 10 Tracks umfassenden Release. Kein Problem – aber: Für den Rezensenten, der bis dato primär dem Genre des melodiösen Synthpop huldigte, birgt die Besprechung der eigenwilligen Symbiose aus Industrial/EBM/Futurepop, Trance und House gewisse Risiken, fallen doch Vergleiche mit etablierten Bands des Genres mangels Vergleichbarkeit weitgehend flach. Wobei...moment! Klingt der vierte Song „Disarray“ nicht nach Seabound? Und erinnert der Titeltrack „Reminiscence“ an die frühen In Strict Confidence? Natürlich lassen sich mit etwas Fantasie durchaus musikalische Anknüpfungspunkte finden, allerdings funktioniert das Album am Besten als Ganzes, d.h. als in sich stimmige Abfolge höchst unterschiedlicher Soundstrukturen, die den Hörer auf knapp 55-minütige Reise in einen mystischen Klangkosmos mitnehmen. „Mystisch“ deshalb, weil insbesondere die Instrumentalparts zu Beginn eines jeden Songs perfekt zu einem dunklen Sci-Fi-Thriller passen, bevor dann meistens so nach 60 Sekunden der größtenteils verzerrte Gesang in variierten Tempi einsetzt. Nimmt man jedoch vom ganzheitlichen Blick auf das präsentierte Liedgut Abstand und beurteilt jeden Beitrag separat, ist das sechste Fulltime-Album des seit 2005 musizierenden US-Amerikaners in folgende Kategorien einzuteilen: a) melancholischer Electro (Reminisce / Disarray / Devastate), b) Trance-EBM (Serene / White Lies / Reminiscence), c) Future-Pop (Escape Into The Night / Taken) und d) Techno-Industrial, falls es das überhaupt gibt (Lost Girl / Alaya). Es wird schwierig sein, einen von allen Songs überzeugten Electro-Fan zu finden – aber wer eine Stunde Zeit investiert und sich vom Musikkonsum im Fast-Food-Stil verabschiedet, der dürfte ein recht intensives, weil interessantes Hörerlebnis genießen. Über die Bandcamp-Seite kann übrigens jedes Lied in voller Länge gehört werden, und das tatsächlich auch einzeln für sich. Jeder, wie er mag!