Wow.

Gestern, 3. November, unser Hochzeitstag... mal wieder. Und zur Feier des Tages gönnten meine Frau und ich uns einen Ausflug nach Hannover - Welle:Erdball auf Tour. Hatten wir schon das ein oder andere Mal live erlebt, wir wussten also, dass wir nicht überrascht oder geflasht werden würden, sondern gut unterhalten. Doch was Hannes Malecki mit seinen drei neuen Sendemitarbeitern dort präsentierte, hat uns überraschenderweise geflasht.

Wow.

Wir haben zum ersten Mal ein Konzert vor seinem Ende verlassen.

 

***Wichtig: Ich beziehe mich ausschließlich auf den Auftritt in Hannover***

 

Ich hatte eigentlich nicht geplant, einen Bericht zu schreiben, da sich bei mir die Promos stapeln und wenn es um Qualität geht, so hätten die Konzerte von Amanda Palmer und The Divine Comedy, die ich zuletzt besuchte deutlich eher ein paar Zeilen verdient. Aber das gestern "Gebotene" zieht mich förmlich an die Tastatur.

Über Rroyce kann und will ich nicht viel schreiben, denn ihre Musik trifft so gar nicht meinem Geschmack und ich könnte deswegen den begeisterten Fans, die scheinbar mit der Tour reisen, nur um die 3 Herren zu sehen, nicht gerecht werden. Überzeugend war der Enthusiasmus, mit dem sie ihre Lieder spielten und wenn sie weiter solche Fans um sich scharren und auch kommende Alben eine größer werdende Hörerschaft mitreißen, dann wird das sicherlich etwas Großes. Bei der Live-Darbietung, vor allem der Koordination auf der Bühne und den Ansagen ist noch viel Luft nach oben, aber die Band und ihre Fans hatten deutlich Spaß.

Genug vom qualitativen Höhepunkt des Abends, kommen wir zu einer Band, die seit 1990/1993 existiert, die live bereits hundert- (tausdend-?)fach gezeigt haben, dass sie es können. Eine W:E Show lebt nicht von live gespielten Extravaganzen, sondern von einer mühevollen und gut abgestimmten Bühnenshow, die die vom Band kommende Mucke unterhaltsam begleitet. Gestern sahen wir aber ein unglaublich amateurhaftes, uneinstudiertes und trashiges Fremdschämfesival, das uns eine Stunde zum Lachen und danach zum Verlassen der Konzerthalle brachte:

Hier alle Höhepunkte der W:E Show: Die Filmprojektionen im Hintergrund waren toll. Kein Bandmitglied ist in der Zeit, in der wir da waren, von der Bühne gefallen.

Nun zu den Sachen, die weniger gut liefen: Ja, es sind drei neue Bandmitglieder, die Malecki da an Bord hat, aber trotzdem kann ich einen gewissen Mindeststandard erwarten, wenn sich die Band als vollwertig und zum Vollpreis verkauft. Herrje, sie sind der Mainact und nicht die örtliche Schulband, die beim Festival gegen 12.00 Uhr den Tag eröffnen. Am meisten konnte M.A. Peel noch suggerieren, zu wissen, was sie da tut: gesanglich gut und die Choreo definitiv gelernt merkte man ihr noch die wenige Erfahrung in Haltung und Mimik an und ihr Kampf mit dem Mikrofonkabel war herzerweichend. Aber sie zeigte Ausdauer, MiisMoonlight zu unterstützen und auszugleichen... aber zu ihr gleich mehr. Denn Tastenstreichler c0zmo fiel kaum auf durch seine Tarntechnik, was schon fast positiv ist - ob er nun auf der Bühne gestanden hätte oder Peng, eine dermaßene Bewegungsarmut und Untätigkeit an den Tasten ist schon brillant. Da muss Malecki vor "Alles Lüge" ansagen, dass nun ein Lied tatsächlich live gespielt wird und dann sieht man deutlich, dass das nicht der Fall ist. Alf Bensen bewegte sich, suggerierte den Eindruck, wirklich etwas an den Synthies zu machen und trug damit zur Welle:Erdball bei. c0zmo wurde eins mit dem Hintergrund: buchstäblich, da er auch direkt vor einer Projektionswand "aufgestellt" war und Filme "über ihn" flimmerten. Sein größter Moment war, als er den Commodore präsentieren sollte und ihm dabei fast das ganze Kit aus den Händen gerutscht wäre. Unbezahlbare Momente. Ach und dann MissMoonlight. Wenn man bei W:E eines der PinUps auf der Bühne sein will, dann sollte man singen können, Körperspannung besitzen oder zumindest kennen, sich rhytmisch bewegen können (am besten zum Takt des aktuellen Liedes) und die Choreo kennen. Tja, nun. Der gesang war ooooooookay. Alles andere war Fremdschämgarantie pur. Es klappte nichts. Wirklich. Am deutlichsten war dies in Momenten, wie der Hula Hoop Sequenz, in der sie den Reifen im falschen Takt viel zu tief kreisen ließ, um dann auch noch bei der 8ter-Drehung durcheinander zu kommen. Aaaaaber ich sehe bei M.A.Peel und c0zmo (falls er aufwacht) durchaus das Potenzial, mit den Jahren zu wachsen.

Doch was Malecki da veranstaltete lässt sich nur schwer erklären. Denn DER MANN KANN (oder konnte?) live überzeugen. Das wissen wir. Hätten wir es aber nicht gewusst, hätten wir ihn auch für einen Amateur gehalten, der versucht, die W:E nachzustellen. Unfassbar. Falsche Gesangseinsätze, Ansagen aus der Vorhölle der gestümperten Lustlosigkeit, eine Hektik und unkoordinierte Herumwuselei, die in den Wahnsinn trieb, daneben gehende Showelemente (weil man z.B. eine Handpuppe nicht auf die Hand bekam). Manches war der Tatsache geschuldet, dass er quasi ständig versuchte, die beiden Damen zu kontrollieren - mal nett, dann oberlehrerhaft, aber unverzeihlich waren seine Fehleinsätze an den Drums. Quasi durchgehend, am schlimmsten natürlich bei "Arbeit adelt". Was ist das ein geiler Song und ein großartiger Effekt, wenn Malecki auf die Blechtonne einschlägt. Er kann das. Wir haben's schon oft erlebt. Ist auch kein so schwerer Takt. Gestern ging nichts. Er schlug nicht im Takt oder verfehlte die Tonne, am Ende haute er dermaßen lustlos dagegen, dass der Song quasi für die Tonne war. Wow. Bei ihm kann man es nicht mit fehlender Erfahrung entschuldigen. Vielleicht waren es die bisherigen Tourtage, da schläft man nicht immer optimal, entscheidet sich nicht immer für die richtige Ernährung. Vielleicht war es die Überforderung, gleichzeitig die Damen anzuleiten. Vielleicht ist es auch ein wenig die Trauer um seine ehemalige Crew. Hoffentlich ist es kein nachhaltiges Desinteresse. Aber: Wow.

Ich kann nicht sagen, dass ich nicht unterhalten wurde. Ich stehe auch auf Trashfilme aller Art und dieses Konzert lief unter dem Motto "so bad, it's good", aber nach etwas über einer Stunde reichte es uns dann doch. Wenn Malecki im Zuge des kommenden Albums, das die (zum Teil miesen) Monsterfilme der 50er und 60er behandelt, vorhat, auch die Welle:Erdball zu einer Trashveranstaltung verkommen zu lassen, dann sollten Besucher der Shows zumindest gewarnt werden. Gestern erlebten wir fast Ed Wood Niveau zu Musik aus der Konserve und die Tatsache, dass hier quasi alles aus der Konserve blubberte, wurde durch dieses Laientheater schmerzhaft deutlich.

Wow.