Stellt euch ein frostiges Fischerdorf vor, in dem die Möwen krächzend gegen peitschenden Regen anschreien – ausgerechnet dort, in Haugesund, brütet - unseren Recherchen nach - der norwegische Ein‑Mann‑Soundalchimist mit dem Namen ‚Vvoid Vvithin‘ über seinen Klangwelten. Zehn Jahre lang lagerte sein Album ‚Nada‘ unbeachtet irgendwo auf einer Festplatte, vermutlich eingeklemmt zwischen Urlaubsfotos und halb vergessenen Steuerdateien. Jetzt zieht er es hervor – ungewaschen, unfrisiert, und mit dem Charme eines alten VHS‑Tapes, das zu lange neben einem Magneten lag. Wer irgendwie das Genre Ambient‑Drone und semi‑industrielle Klanggewitter liebt, sollte hier schon mal die Noise‑Cancelling‑Kopfhörer im Schrank lassen: Hier darf nämlich alles rumpeln, rauschen und auch ächzen.
Genre‑technisch fühlt sich ‚Nada‘ an wie ein Blind Date zwischen Dark Ambient und kompletter Stromausfall‑Ästhetik. Die Drone‑Schichten brummen so tief, dass ich kurz den Verdacht hatte, mein Kühlschrank hätte eine Existenzkrise. Gleichzeitig zischen industrielle Geräuschfetzen durch die Szenerie – nicht als clubtauglicher Beat, sondern mehr wie ein brüchiger Ventilator, der sich heroisch gegen das Ende seiner Lebensdauer stemmt. Was mich begeistert: die kompromisslose Rohheit. Keine begradigten Frequenzen, kein Hochglanz‑Mastering, stattdessen ehrliche Unebenheiten und gelegentlich ein Plugin, das klingt, als hätte es seit 2012 kein Update mehr gesehen. Wer behauptet, Ambient erzeuge keine Spannung, hat offensichtlich nie einer fünfminütigen Hallfahne gelauscht, die sich anhört wie das Echo im Kopf eines einsamen Eisbrechers.
Ich habe mir ‚Nada‘ mitten in der Nacht bei komplett ausgeschaltetem Licht gegönnt – eine exzellente Idee, wenn man Lust hat, die eigenen Dämonen beim Walzer zu beobachten. Das Album pendelt zwischen kontemplativer Stille und beklemmender Klangverdichtung. Genau dieser ständige Wechsel macht süchtig: Man lauscht gebannt ob sich hinter der nächsten Frequenz nicht doch noch ein freundlicher Akkord versteckt.
‚Nada‘ ist somit der musikalische Gegenentwurf zur üblichen Streaming‑Playliste „Chill Vibes For Productivity“. Liebhaber*innen von düsterem Drone, postindustrieller Patina und der Frage „Wie klingt Existenzialismus als Geräusch?“ werden jubeln. Wer hingegen klare Harmonien, radiotaugliche Hooks oder auch nur den Hauch einer sonnigen Grundstimmung braucht, sollte besser zu ‚Lo‑Fi Beats To Study To‘ greifen – oder wenigstens eine Kuscheldecke bereithalten. Für mich ist ‚Nada‘ ein faszinierendes Stück Genre‑Purismus: ungehobelt, ehrlich und überraschend kathartisch. Perfekt für alle, die im Soundtrack ihrer eigenen Albträume gerne die Lautstärke aufdrehen.