Neues aus der Dunkelkammer des Electro-Universums: Während der Präsident im fernen Westen gerade wieder ein Kapsertheater aufführt, widmen wir uns lieber einer Band, die ihre Dramen wesentlich kunstvoller in Szene setzt. Fïx8:Sëd8, Deutschlands vielleicht verschachteltster Beitrag zur Dark-Electro-Galaxie, kehren mit ihrem sechsten Album Octagram zurück – und das am 3. Oktober 2025 via Dependent Records. Schon der Titel verrät, dass hier Mathematik, Mystik und Melancholie eine ménage à trois feiern: acht Songs, je acht Minuten, eine Achterbahn zwischen Infinity-Zeichen und Endzeit-Samples.
Mastermind Martin Sane zieht seine Hörer diesmal in einen Strudel aus polyrhythmischen Experimenten, seltsam krummen Taktarten und dem gewohnten Arsenal aus Sample-Collagen, das mit den letzten Worten zum Tode verurteilter Menschen diesmal noch eine besonders düstere Würze erhält. Wer sich fragt, ob da noch Platz für eingängige Melodien bleibt, darf beruhigt sein: die Mischung aus Verspieltheit und klirrend harter Elektronik knüpft nahtlos an Klassiker wie Foren6, Warning Signs und The Inevitable Relapse an, nur dass die Beats diesmal einen Zahn zulegen und die Vocals gleich mehrere Gesichter tragen – von flüsternder Boshaftigkeit bis zu hämmernder Wut.
Natürlich bleibt die große Ahnenreihe spürbar – Skinny Puppy und Front Line Assembly grinsen aus den Schatten – doch Fïx8:Sëd8 haben längst ihre eigene DNA kodiert. Wer Octagram hört, erkennt schnell, warum die Band nicht mehr bloß als Schüler der kanadischen Kultlehrer gilt, sondern wie einst Haujobb oder Mentallo & The Fixer ihren eigenen Kosmos erschaffen hat. Und während draußen noch Politiker über Unendlichkeit reden, schickt Sane seine Version gleich als Soundtrack: düster, komplex, tanzbar.
Dass diese Formel auch live funktioniert, haben Fïx8:Sëd8 zuletzt auf Headliner-Touren sowie beim Wave-Gotik-Treffen und beim E-Tropolis bewiesen. Für Octagram wird die Produktion nochmals größer, das Bühnenbild aufwändiger, die Show wuchtiger – man darf sich auf eine Tour freuen, die mehr als nur Nebelmaschinen und Strobo zu bieten hat. Also, kurz gesagt: Mit Octagram sprengen Fïx8:Sëd8 nicht nur das klassische Songformat, sondern auch die Geduld jener, die Electro noch immer in Schubladen pressen wollen. Am 3. Oktober gibt es keine Ausreden mehr – achtmal acht Minuten Dunkelheit warten.
Von Skinny Puppy zu eigenen Sphären: Fïx8:Sëd8 veröffentlichen Octagram

„The Line“ – Endeløs starten Gothic-Post-Punk-Offensive

Wenn eine Band aus einem Ort kommt, dessen Name irgendwie so klingt, als wäre er der Schauplatz eines Science-Fiction-Romans, dann darf man wirklich mal gespannt sein, was da so um die Ecke kommt. Endeløs stammen dann auch tatsächlich aus Carbonia auf Sardinien – einer Stadt in Italien mit etwa 25.900 Einwohnern, die sich vielleicht weniger nach Weltraum, dafür umso mehr nach Provinzalltag anfühlt. Und genau diesen übersetzen die „Children of pandemic decadence“, wie sie sich selbst nennen, seit ihrer Gründung in bitter-süße Klangwelten. Langeweile trifft auf Drumcomputer, trübe Straßenlaterne...
Dive – „Scraping Tokyo ’95“: Industrial-Rohdiamant zurück auf Vinyl

1995: Japan boomte technologisch, Tamagotchis piepsten in den Schulhöfen und in Tokio schlug ein Belgier die Szene in Schutt und Asche – Dive. Während viele von uns noch mit Disketten kämpften, stand Dirk Ivens bereits auf der Bühne von Cyber Tokyo und lieferte einen Auftritt ab, der heute als reines Konzentrat aus Schweiß, Lärm und minimalistischer Brutalität gilt. Dreißig Jahre später können wir dieses Kapitel endlich wieder öffnen: Scraping Tokyo ’95 ist zurück, remastered, entstaubt und als limitierte Vinyl-Edition glänzend aufbereitet – aber musikalisch immer noch ein rostiger Faustschlag...