1995: Japan boomte technologisch, Tamagotchis piepsten in den Schulhöfen und in Tokio schlug ein Belgier die Szene in Schutt und Asche – Dive. Während viele von uns noch mit Disketten kämpften, stand Dirk Ivens bereits auf der Bühne von Cyber Tokyo und lieferte einen Auftritt ab, der heute als reines Konzentrat aus Schweiß, Lärm und minimalistischer Brutalität gilt. Dreißig Jahre später können wir dieses Kapitel endlich wieder öffnen: Scraping Tokyo ’95 ist zurück, remastered, entstaubt und als limitierte Vinyl-Edition glänzend aufbereitet – aber musikalisch immer noch ein rostiger Faustschlag ins Gesicht.
Damals, Ende Juli 1995, spielte der belgische Industrial-Einzelkämpfer Dirk Ivens alias Dive mehrere Konzerte in Tokio. Was im Cyber Tokyo aufgenommen wurde, klingt heute noch so ungeschliffen und direkt, dass man beinahe glaubt, selbst im schwitzenden Publikum gestanden zu haben. Minimalistische Beats, verzerrte Vocals, pure Energie – Dive live war und ist eine Grenzerfahrung, irgendwo zwischen hypnotischer Ekstase und Stromschlag. Neben Klassikern wie „Skullscraper“, „Mindtorture“ oder „Power Of Passion“ finden sich auch drei Cover-Versionen auf dem Mitschnitt, die alles andere als brav daherkommen. Joy Division’s „Isolation“, Suicide’s „Ghostrider“ und ein Beitrag von The Klinik werden in Dive’s Welt so kompromisslos verfremdet, dass man die Originale danach fast wie radiotaugliche Popnummern wahrnimmt.
Die Aufnahme erschien ursprünglich 1995 nur als CD auf dem japanischen Label Gift und war seither kaum mehr aufzutreiben. Jetzt sorgt das bekannte polnische Label Mecanica für die Auferstehung: digital verfügbar und – für die Sammler*innen – als limitierte Edition auf weißem Vinyl. Ganze 350 Stück wurden gepresst, mit Archivfotos und stilechtem japanischen OBI-Streifen versehen. Wer ein Exemplar ergattert, hält nicht nur ein Stück Industrial-Geschichte in der Hand, sondern auch einen Sound, der heute noch die Boxen zum Zittern bringt. Veröffentlicht wurde Scraping Tokyo ’95 am 30. August 2025 – ein Live-Dokument also, das weniger nostalgisch verklärt, sondern vielmehr zeigt, wie kompromisslos Industrial Mitte der 90er auf der Bühne klingen konnte. Keine halben Sachen, keine Kompromisse – nur blankes, unverdünntes Dive.
Dive – „Scraping Tokyo ’95“: Industrial-Rohdiamant zurück auf Vinyl
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