Various Artists - We Came To Dance · Indie - Dancefloor Vol. I

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Es ist mittlerweile über dreißig Jahre her, dass 'We Came To Dance · Indie - Dancefloor Vol. I' das Licht der Welt erblickte – eine kleine Ewigkeit also, in der sich Musikstile wandelten, Subkulturen zerfielen und wiedergeboren wurden, und in der aus einst schwarzen Szene-Kids gestandene Erwachsene mit Plattensammlungen wurden, die schwerer sind als jede Midlife-Crisis. Die Zeit hat also ihre Spuren hinterlassen: Viele Clubs kamen und gingen, Magazine wie Zillo oder Sub Line verschwanden in den Annalen der Subkulturgeschichte, und selbst das Wort „Sampler“ klingt heute beinahe romantisch antiquiert – wie „Mixtape“ oder „Stempelkarte für den Plattenladen“.

Damals, als Spotify noch wie ein skandinavischer Möbelkatalog klang und Musik nicht einfach in die Hosentasche gestreamt, sondern mühsam erspart und stolz in Form von CDs oder Tapes nach Hause getragen wurde, waren Sampler wie We Came To Dance der Wegweiser durch die schwarze Szene. Kein Algorithmus, kein TikTok-Hype – nur du, deine Stereoanlage und das Booklet. Wer sich einen solchen Sampler kaufte, war mittendrin statt nur daneben.

Und genau eine dieser Veröffentlichungen, die allen Moden zum Trotz überlebt haben, ist We Came To Dance · Indie - Dancefloor Vol. I. Dieser Sampler konserviert nicht einfach nur Musik – er trägt das Lebensgefühl einer ganzen Szene in sich wie Bernstein eine Mücke. Veröffentlicht 1993 auf dem von Sub Line gegründeten Label Sub Terranean, war er für viele der Soundtrack jener Tage. Wer damals zwischen Gothic, Wave, EBM und Indie sein Unwesen trieb, kam um diese CD wohl kaum herum. Der Sampler stand nicht nur sinnbildlich für das, was man damals im Club hörte – sie war quasi der Club. Und beim Durchsehen der Tracklist merkt man schnell: Hier ging es möglicherweise nicht um Verkaufszahlen, sondern um ein Statement. Um Liebe zur Musik, zur Szene, zum Tanz.

Der Name ist dabei Programm: Wir sind gekommen, um zu tanzen. Und das nicht zu irgendeinem Elektroschnickschnack oder Industrial-Dauergebrüll, sondern zu einer bewusst kuratierten Melange aus Electro, Wave, Indie und Dark Pop, die in dieser Form damals wie heute nicht nur clubtauglich, sondern auch verdammt geschmackssicher daherkommt. Und was war das für ein Line-up! Deine Lakaien, Love Like Blood, Project Pitchfork, Leæther Strip, Das Ich – man bekommt beim Lesen der Tracklist beinahe Tränen in die Netzhaut.

Aber was macht diesen Sampler so besonders? Nun, er ist keine „Best of Gothic 90s“-Karaokeplatte und keine bloße Aneinanderreihung von Chartfutter. Stattdessen liefert er auch heute noch ein Zeitdokument – ein liebevoll zusammengestellter Soundtrack für durchtanzte Nächte, durchweinte Herzschmerzphasen und verschwitzte Begegnungen auf Nebelmaschinenhöhe. Und das mit einer bemerkenswerten stilistischen Bandbreite: von hymnischen Future-Pop-Visionen bis zu hypnotischen Dark-Electro-Entwürfen. Tanzbar? Na klar. Aber nie belanglos.

Tracks wie 'We Lebanon You' von The Eternal Afflict oder 'Paranold Illusions' von X Marks The Pedwalk sind pure Szene-Energie. Birmingham 6 machen mit 'Israel' den Auftakt und lassen die BPMs rollen, als gäbe es kein Morgen. Und Das Ich dürfen mit ihrem episch-verrückten 'Sonne, Mond Und Sterne' natürlich den Abschluss geben – ein Achtminuten-Monolith zwischen Tanzboden und Theater.

Nicht zu vergessen – und vielleicht noch interessanterweise zu erwähnen: Es kursieren zwei optische Varianten des Releases – die schicke schwarze Version der CD und die etwas normalere silberne. Angeblich war der Run auf die Scheibe so groß, dass das Label eine Nachpressung nachlegen musste und die schwarze Version nicht mehr so schnell verfügbar war. Ob das stimmt? Keine Ahnung! Aber in einer Szene, in der sich um Farbnuancen bei Lackhosen gestritten wurde, ist so eine Geschichte auf jeden Fall plausibel.

Heute gilt der Sampler als Kult – jede*r, der in den 90ern mit Kajal, Netzhemd oder Samthandschuhen auf Indie-Floors unterwegs war, kennt We Came To Dance Vol. I. Bei einer kurzen Recherche haben wir sogar ein originalverpacktes Exemplar auf Amazon entdeckt – für knackige 89 Euro. Sammlerobjekt? Definitiv. Heiliger Gral? Für manche wohl ja. Und auch wenn viele CDs inzwischen in staubigen Umzugskisten ruhen, wird dieser Sampler von vielen noch immer in Ehren gehalten – nicht nur wegen der Musik, sondern wegen dem, was er symbolisiert: eine Zeit, in der Szene mehr war als ein Algorithmus.

We Came To Dance · Indie - Dancefloor Vol. I ist ein Geschenk für alle, die schon einmal zu Pitchfork, Dance Or Die oder Deine Lakaien die Arme ausgebreitet und sich im Strobo verloren haben. Eine wunderbar tanzbare Momentaufnahme der frühen 90er, als Szene noch Szene war und Compilations mit Herz gemacht wurden. Für Nostalgiker, Szene-Kids der ersten Stunde und Neueinsteiger mit Sinn für die dunklere Seite der Tanzfläche – ein absolutes Muss.

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