Die Zeiten sind so günstig wie nie, ohne Schamesröte im Gesicht längst verstaubte und weggesperrte Alben der glamourösen 80er Pop-Ära wieder hervorzuholen und voller Genuss aufzulegen. Lange müde belächelt oder gar ausgelacht, ist der kunterbunte klischeebeladene Pop mit Plastik-Appeal plötzlich wieder hip und gefragt wie nie zuvor. Erasure, Soft Cell, die Pet Shop Boys und The Human League lassen grüßen! So amüsieren sich die trendbewussten Jungspunde und Junggebliebenen heute nicht etwa auf Raves oder Black-/Latin-Events, sondern – für den gemeinen Geschmack – schier unerträglich gestylt auf sog. Electroclash- und Italo-Disco Parties, wo die alte Kitsch-Diskokugel wieder rotiert. Dass nicht nur Deutschland vom Electro-Pop-Fieber der Vergangenheit erneut gepackt wurde, sondern auch in Amerika und vor allem auf der britischen Insel (und das nicht erst seit Ladytron) eine recht agile Szene ihr (Un-)Wesen treibt, davon legt der kürzlich in England erschienene Sampler Robopop Vol. 1 ein beeindruckendes Zeugnis ab. An die Tradition der sagenhaften Flexipop-Sampler bzw. der Electricity-Serie von Ninthwave Records (und vielleicht noch der Neo Pop-Reihe) anknüpfend, vereint Robopop Vol. 1 Künstler, die hauptsächlich im Vereinigten Königreich oder in den USA bzw. Kanada beheimatet sind. Die meisten von ihnen dürften hierzulande wohl – mit wenigen Ausnahmen – nur Szene-Kennern ein Begriff sein. Zu den bekannt(er)en gehören zweifellos Client, Andy Fletchers erstes und sehr erfolgreiches Signing auf seinem Toast Hawaii-Label. Die beiden Damen steuerten ihre wunderbare Debüt-Single "Price Of Love" bei. Für Deutschland geht als einziger, man glaubt es kaum, Micha Pohl alias Wave in Head mit "Progress" an den Start. 17 Bands, 17 Tracks sind es insgesamt, davon allein acht bisher unveröffentlicht sowie einige rare und brandneue Songs. Den Auftakt zu knapp 60 Minuten elektronischem Neon-, Glam- und Glitterfeeling macht das äußerst sympathische Manchester-Duo Alpinestars mit dem traumhaften "Nu Sex City" – ein flirrender, funky Electro-Track, der nicht mehr loslässt. Ihr Debüt-Album "White Noise" erntete übrigens auch in der deutschen Presse massenweise Lobeshymnen! Nach diesem fulminanten Opener wird es schier unmöglich, einen oder mehrere Favoriten exemplarisch herauszugreifen, denn die New Yorker Minimalisten Ganymede wissen ebenso wie die schwer kultverdächtigen Laptop und Komputer oder Macondos unschuldige Pop-Perle "Disappointed" zu überzeugen. Ziemlich unterkühlt und unglaublich cool der Retro-Track von Riviera, dem der völlig irre up-Tempo Minimaltrack "Sex Machine" von My Robot Friend allerdings in nichts nachsteht. Vic Twenty haben mit "Sugar Me" einen wirklich zuckersüßen Titel mit engelsgleicher Stimme geschaffen und waren bereits als Support von Erasure zu bewundern. Besonders hervorzuheben seien noch der wundervolle Track "Panopticon", der von Jyoti Mishra alias White Town exklusiv für diese Compilation komponiert wurde, sowie "Summertide" von , ein hundertprozentiger, bewegender und süchtig machender Electro-Pop-Song der Extraklasse mit verzaubernder männlicher Stimme und ebensolcher Melodie. Beeindruckend ist auch der recht technoide, aber schwer E- Gitarrenlastige Kracher "The Story Of My Life Is An FX Showreel" von Spray oder Baxendale’s sehr lasziver Disco-Floorfiller "Your Body Needs My Sugar". Nach Gary Flanagans frechem "Every Friday Night" möchte man nun am liebsten sofort mit viel Haarspray und Schockoutfit durch die Clubs ziehen. Falls ich jetzt eine Band unerwähnt gelassen habe, dann nicht aus Bosheit, sondern weil mein Fundus an lobenden Worten allmählich auszugehen droht. Auf diesem Sampler haben Mensch und Maschine wieder einmal ganze Arbeit geleistet! Hier wird allerdings nicht einfallslos Altes wieder aufgefrischt, sondern das eigentümliche Flair „robo-elektronischer“ Musik mit einer gehörigen Portion moderner Elemente – die Technik macht’s ja heute möglich – viel Humor, Ideenreichtum aber natürlich auch einem Schuß Kitsch zu einem zündenden Gesamtwerk kombiniert. Wem die Altheroen der 80er auf die Dauer zu langweilig und abgedroschen sind, sollte diesen z.T. noch recht jungen Bands und Künstlern unbedingt seine Aufmerksamkeit schenken. Das Konzept von Robopop wirkt nicht, also ob man sich an Trends anbiedern wolle, sondern ehrlich, und strahlt das aus, was alle Beteiligten verbindet, nämlich die Liebe zur elektronischen Musik. Sehr fein und sehr retro ist natürlich auch das ausführliche Booklet mit vielen Infos und Fotos zu den einzelnen Künstlern – in knalligem, kontrastreichem weiss-pink-hellblau gehalten. Das überwiegend sehr positive Echo der einflussreichen britischen Musikpresse sowie von DJs und der begeisterten Hörerschaft lassen auf einen Nachfolger dieser Hit-Compilation hoffen! Erhältlich ist Robopop Vol. 1 über den Online-Shop von 10past12 Records für lediglich 4.25 britische Pfund. Näheres dazu gibt es auf der Robopop-Site!