Bisweilen geht es ziemlich ungerecht im Musikbusiness zu. Denn nicht wenigen Künstlerinnen und Künstlern, deren Werke außergewöhnlich sind, ereilt das unbarmherzige Schicksal des One-Hit-Wonder, weil ein perfekter Song ihr ganzes Oeuvre überstrahlt. Um nur ein Beispiel zu nennen: "Push" hat die deutschen Proto-EBMler The Invincible Spirit zumindest in der Szene Mitte der 1980er berühmt gemacht. Doch leider kam dann nachher nicht mehr viel Zählbares, obwohl Nummern wie "Provoke You", "Love Is A Kind Of Mystery" und "Devil Dancer" für sich stehen und das großartige Potenzial dieses Projektes offenlegten. Doch gegen den knackigen Beat und der unwiederstehlichen Synthiebasslinie konnten alle nachfolgenden Songs einfach nur noch abstinken. Ähnlich sieht es mit dem schwedischen Act Twice A Man aus. Ihr Name ist streng verknüpft mit dem ebenfalls unkaputtbaren Diskothekenliebling "Decay" aus ihrem Debüt "Music For Girls". 

Das 1982 veröffentlichte Werk gehört bis heute zu den schillerndsten des Synthie-Pop-Genres. Was vor allem an den beiden Mitgliedern Dan Söderqvist und Karl Gasleben liegt, die sich vom New Romantic ihrer Zeit haben zwar inspireren lassen, aber den ganzen Glam und optischen Budenzauber beiseite schoben, um sozusagen dem "dark side of the Moog" mehr Raum zu schenken. Herausgekommen ist eine ganz eigenständige Melange, die man unter anderem als "Ultravox auf Gras" oder "eine traurige Version von Gary Numan" bezeichnet hat, was den Nagel schon ziemlich genau auf den Kopf trifft. Um noch eine weiteren Vergleich zu bemühen: Twice A Man sind wie eine vollelektronische Version von Japan, ohne ihren ästhetischen Hedonismus. Hervorstechend sind ihre komplex arrangierten Songs, die wie bei "Across The Ocean" nur noch lose klassische Songstrukturen aufweisen und mehr einem musikalischen Stream Of Consciousness folgen. Trotzdem oder gerade deswegen erscheinen einem die Nummern - selbst bei Spielzeiten um die sieben, acht Minuten - äußerst kurzweilig. Der Schatz an Liedern, besonders aus der Frühphase von Twice A Man, ist in der Tat unermesslich, und es ist auch hier schier unbegreiflich, warum diese Band nicht mehr in den Fokus gerückt ist. Denn ein Song wie "Still In The Air" (der vielleicht auch Inspiration für Beborn Betons ersten Clubhit "Torture" gewesen sein könnte) ist an Perfektion kaum zu überbieten. 

Warum also sind Twice A Man dann doch mehr oder weniger Geheimtipp geblieben? Die Antwort ist so komplex wie der gesamte Backkatalog des Duos selbst. Da ist zum einen die Bescheidenheit und das Understatement der Musiker, die nie ein großes Gewese um ihre Kunst gemacht haben, obwohl sie wohl zu den ersten Elektrogruppen zählen, die auch das Thema Umweltschutz zum Teil in ihre Lieder eingebaut haben. Zum anderen dachten und denken die beiden Schweden in größeren Dimensionen. Die ersten deutlichen Hinweise finden sich bereits auf dem 1988er-Meilenstein "Driftwood". "Yellow Flowers" und "Crane Dance", die ebenfalls auf "Songs Of Future Memories" enthalten sind, offenbaren den Wandel hin zu theatralisch-monumentalen Epen. Sie machen es nachvollziehbar, warum das Duo später auch Musik für Theaterstücke, Kunstausstellungen und sogar Computerspiele realisierten - ein bisschen wie Benny und Björn von ABBA, die es bereits zu Bandzeiten immer wieder ins Musicalfach zog. Am Ende ist gerade die von Söderqvist und Gasleben selbst auferlegte musikalische Freiheit und das gepflegte Pfeifen auf alle Konventionen vielleicht auch ein weiterer Grund, warum Twice A Man nie die Berühmtheit erlangt hat wie andere Electro-Acts. Gefällig sind sie nicht! Sie experimentierten gerne mit verschiedene Stilen, wie das vorliegende Kompendium vor Augen, respektive Ohren, führt. 

Ist die erste CD noch stark vom romantisierten Synthie-Sound beeinflusst, driften die Songs auf dem zweiten Silberling in eine verstiegene Trance- und Ambient-Landschaft ab, der schlussendlich auf Disc Nummer Drei in ihre Breitwand-Version eingeht und so etwas wie die Conclusio aus vier Jahrzehnten des Musikmachens bedeutet. Diesen Wandel als Hörer mitzumachen, fällt vielen nicht leicht. Es kommt aber nicht von ungefähr, dass Twice A Man schon so lange Musik machen. Ihre Wandelbarkeit und die anspruchsvollen musikalischen Ideen machen das Duo bis heute relevant ist. "Songs OF Future Memories" veranschaulicht dies eindringlich - natürlich auch mit "Decay" als ein Mosaikstein im großen Gesamtkunstwerk dieser Synthie-Pop-Pioniere.