Als es den Begriff Gothic noch gar nicht gab, haben Siouxsie And The Banshees diesen schon in annähernder Perfektion praktiziert. Der stets schummrige Post-Punk-Sound wird von Siouxsies teils betörender, teils distanzierter Stimme durchkreuzt. Ihr Organ besitzt eine ganz eigene Farbe, die sich auch andere Chanteusen zum Vobild genommen haben. Die großen Charterfolge blieben zwar weitestgehend aus, aber mag auch der Terminus "Kultband" inflationär genutzt werden: Hier passt er! Zusammenfassungen ihres Oeuvres gibt es schon zur Genüge (allen voran die beiden Kompendien des Singles-Katalogs, namentlich "Once Upon A Time" und "Twice Upon A Time", bieten den besten Überblick über ihr Schaffen). Nun kommt mit "All Souls" eine weitere. Und zwangsläufig stellt sich die Frage: "Braucht's das?" Eine Antwort darauf fällt schwer, aber die Tendenz geht dann doch hin zu: "Ja!". 

Sicherlich sind mit "Spellbound" oder "Peek-a-boo" die einschlägig bekannten Songs vertreten, die den hartgesottenen Siouxsie-Jünger nur ein müdes Lächeln abluchsen. Die Extended-Version von "Fireworks" wird da sicherlich ein bisschen mehr Eindruck schinden. In diesem Moment jedoch taucht man in den, auch für Hardcore-Fans, interessanteren Teil von "All Souls" ein. Sängerin Siouxsie Sioux hat bei dieser Zusammenstellung ihre mit schwarzer Spitze bedeckte Hand draufgehalten und eine besondere Best-Of gestaltet. Sie erscheint nur auf Vinyl (was allein schon das ansprechende Coverartwork ungemein aufwertet) und ist mit einigen Exponaten aus dem Kuriositätenabinett der Banshees gespickt. So findet sich mit "El Dia De Los Muertos" eine dieser B-Seiten, in dem sich die Band künstlerisch austobt. Hier liebäugeln sie - passend zum südamerikanischen Feiertag, an dem die Toten mit einem fröhlichen Fest geehrt werden - mit Latin-Grooves einer Gloria Estefan, die aber wie aus einer dunklen Seitengasse klingen. Und das bluesig angehauchte "Something Wicked (This Way Comes)" besitzt den Charme einer verratzten Nachtbar, in der es von zwielichtigen Gestalten nur so wimmelt. Der eigentliche Clou an "All Souls" ist aber ihr thematischer Überbau. Die Sängerin hat die Songs nach der Eignung für die tristen Herbsttage ausgesucht. Gut, angesichts der latent melancholischen Stimmung des Siouxsie-Katalogs (selbst in ihrer poppigsten Phase in den mittleren 1980ern schlich sich in ihre Songs immer eine unergründliche Traurigkeit ein, da konnten sie machen, was sie wollten) sollte das nicht so schwer fallen. Das ganze wird aber tatsächlich so eng gefasst, dass dieser Jahreszeit ein musikalisches Denkmal gesetzt wird. Neben dem bereits erwähnten Dia De Los Muertos, wird (natürlich) auch "Halloween" verhandelt, "Rawhead And Bloody Bones" sorgt für angenehmen Grusel, und "We Hunger" wirkt so mysteriös wie ein nebeliger Novembertag. 

Ein Schuft, wer denkt, dass Siouxsie mit dieser Veröffentlichung einen schnellen Euro machen will. Dafür ist "All Souls" einfach zu liebevoll gestaltet, und die Veröffentlichungsform selbst ist nicht auf den großen Reibach aus. Vielmehr kommt die Platte wie ein kleines Extra daher, wie eine hingebungsvolle Zugabe für all die langjährigen Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter einer Band, die bis heute nichts von ihrer Eleganz und ihrem Charisma verloren hat.