Man reibt sich irgendwie schon leicht müde die Augen und stellt fest: Schon wieder ein Künstlerkalender! Nachdem beispielsweise schon Rummelsnuff das Prinzip „Muskeln, Bart, Monate“ etabliert hat und gefühlt jede zweite Szene-Größe inzwischen zwölf Bilder und ein Kalendarium an die Wand tackert, zieht nun auch noch Till Lindemann nach. Kalender 2026, offiziell, geschniegelt inszeniert, erhältlich bei Out Of Line. Überraschungsfaktor für mein Gefühl: überschaubar.

Inhaltlich gibt es genau das, was man erwartet: Lindemann in künstlerisch-düsterer Pose, ernst, schwer, bedeutungsvoll. Kein Augenzwinkern, kein Küchenfoto, sondern Kunst mit großem K. Monat für Monat das gleiche Versprechen: Hier hängt jemand, der weiß, dass er hier hängt. Das Ganze ist weniger Zeitmessinstrument als Wand-Statement. Praktischer Nutzen zweitrangig, Wirkung maximal kalkuliert. Was mich allerdings wirklich interessiert: Warum sprießen diese Kalender plötzlich wie Pilze nach einem feuchten Festivalwochenende? Irgendwer muss sie ja kaufen, sonst würde niemand auf die Idee kommen, das jedes Jahr wieder durchzuziehen. Oder? Rein ökonomisch ergibt das für mich alles schon Sinn. Emotional hingegen wird es dünn. Denn Hand aufs schwarze Herz: Kennt irgendjemand ernsthaft jemanden, der so einen Kalender besitzt? Also nicht nur theoretisch sondern wirklich? Ich kenne niemanden! Keinen einzigen Menschen, der morgens aufsteht, Kaffee trinkt und denkt: „Ah ja, Februar. Zeit für meinen Lindemann an der Wand.“

Naja, vielleicht ist genau das der Punkt. Diese Kalender sind weniger Gebrauchsgegenstand als stilles Fan-Bekenntnis. Man redet nicht darüber, man zeigt sie nicht seinen Besuchern, man hat sie einfach. Wie ein geheimer Altar, nur mit Spiralbindung. Und so reiht sich der Till-Lindemann-Kalender 2026 nahtlos ein in eine wachsende Tradition: Niemand gibt zu, so etwas zu besitzen – aber offenbar reicht es trotzdem für immer neue Auflagen. Oder habe ich hier einfach nur eine total verschobene Perspektive?!