Man kann sie schon fast als Weihnachtsgeschenk ansehen, die neue Veröffentlichung von The Mist of Avalon. Fast zehn Jahre lang hat die schwedische Band, die in den 90ern in einem Atemzug mit den Großen der Gothic-Rock-Szene (Sisters, Fields & Co.) genannt wurden, nichts von sich hören lassen. Shows mit Tiamat, The 69 Eyes oder Funhouse ließ ihren Bekanntheitsgrad damals nach kurzer Zeit hochschnellen. Nach ihrem letzten Fulltime-Album in 2000 und einer EP im Jahr darauf verschwand die Truppe um den charismatischen Sänger Aram Yildiz plötzlich von der Bildfläche. Mit 12 neuen Songs im Gepäck betreten sie nun endlich wieder die Bühne des großen Musikzirkus und lassen ihr neuestes Werk „Dinya“ vom deutschen Indie-Label echozone vermarkten. The Mist of Avalon haben die zehn Jahre vermutlich nicht ausschließlich damit verbracht, um an ihrem nunmehr dritten Album zu arbeiten und zu feilen. Doch dass vermutlich einiges an Zeit, Energie und schöpferischem Input in „Dinya“ gesteckt wurde, hört man der Veröffentlichung sofort an. Hier schallt kein verblichener Glanz vergangener Tage aus den Boxen und auch kein aufpoliertes, durchgestyltes Kunstprodukt. Jahrelange Erfahrung, ein gutes Gespür für packende Melodien und vermutlich auch eine gehörige Portion Vorfreude auf das „Here we are back again“ haben ein Album hervorgebracht, dem – geschickt promotet – ein beachtlicher Erfolg winken könnte. Mit den düsteren Goth-Rock-Zeiten der Vergangenheit hat „Dinya“ nicht mehr viel zu tun, die „schwarzen Soundgewänder“ wurden größtenteils abgelegt, aber auch nicht ganz vergessen oder gar ignoriert. Man merkt der Band nach wie vor deutlich an, wo ihre Wurzeln und Stärken liegen. Und die spielt sie nach allen Regeln der Kunst aus: satte, griffige Gitarren, wuchtige Drums, faszinierende Harmonien, eingängige Ohrwurm-Refrains, die kraftvolle Stimme von Aram Yildiz (er schafft es tatsächlich, mal wie Dave Gahan, mal wie Sven Friedrich zu klingen – und sonst natürlich wie er selbst!) sowie effektvolle Backing Vocals liebäugeln mit modernen, poppig angehauchten Synthesizer- und Keyboard-Melodien und einer gesunden Portion dunkler Melancholie und Romantik. Das mag jetzt wie ein am Reißbrett entstandenes Sound-Rezept für den heutigen Musikmarkt klingen, in dem plötzlich lange Zeit vom Mainstream geächtete Bands wie Oomph! und Unheilig (da gab es auch mal Evanescence …) in zahllosen deutschen CD-Schränken zu finden sind. „Dinya“ trifft ganz klar den Nerv der Zeit, doch reines wirtschaftliches Kalkül dürfte hier keineswegs zu vermuten sein. Eines ist allerdings nicht von der Hand zu weisen: Mit dem Sound aus den Ursprungstagen von „The Mist of Avalon“ lässt sich heute, und das ist leider, leider wahr, keiner der berühmten Blumentöpfe mehr gewinnen. Gothic-Rock der alten Schule ist zwar nicht tot, doch der Markt dürfte jenseits von „gesättigt“ sein, und Hörer-Nachwuchs, der hierin seine musikalische Bestimmung findet, ist rar geworden. Außerdem, es hilft alles nichts, ist die Zeit nun mal nicht stehen geblieben. Künstler blicken über den eigenen Tellerrand, entdecken neue Passionen, wollen weiter gehen, und zwar in Richtung Zukunft, ohne sich dabei zwangsweise selbst verlieren zu müssen. Das haben The Mist of Avalon mit „Dinya“ ganz klar geschafft. Klassische Gothic Rock-Anleihen („Tell me“, Devils den“) verschmelzen mit verträumtem, balladeskem Wave-Pop („Helpless“) und legen mit einer Portion Indie-Nu-Rock („Said it all“, „I wish“, „Stay with me“) nach. Unterm Strich kommt dabei eigentlich eine „Musik für Generationen“ heraus – Musik von Schwarz bis Bunt und von Jung bis nach oben offen. Das Album ist dabei hörbar aus einem Guss, schielt nicht verkrampft nach Effekten und Füllseln. Es spielt mit Stimmungen und Gefühlen, mit Tempi und Rhythmen, um letztlich immer wieder auf seinen zentralen Punkt zurückzukehren, nämlich solide handgemachte Rockmusik. Titel wie „Said it all“ und „I wish“ sind ganz klar radiotauglich – warum auch nicht? Sie sind es auf eine Weise, die sie klar vom Rest abhebt, der irgendwann einmal aus dem „Szene-Fluss“ ins Mainstream-Meer gespült wurde. The Mist of Avalon sei zu diesem großartigen Album und natürlich zu ihrem Comeback gratuliert. Wenn es das Schicksal/der Zufall/das Glück will, wird daraus tatsächlich sogar eine größere „Nummer“.