The Legendary Pink Dots - Chemical Playschool Volume 25

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‘The Legendary Pink Dots’ begleiten die weltweite Underground-Szene seit Anfang der 1980er Jahre und haben dabei ein Klanguniversum erschaffen, das weniger wie das Werk einer klassischen Band wirkt und eher wie ein fortwährend wachsendes Parallelreich. Gegründet in London, später in Amsterdam heimisch geworden, lebt der Kern des Projekts bis heute von der unverwechselbaren Stimme von ‘Edward Ka-Spel’ und der oft halluzinatorischen Gitarrenarbeit von ‘Erik Drost’. In den letzten Jahren waren die Dots ungewöhnlich produktiv: Fast im Jahresrhythmus erschienen neue Alben, Spezialeditionen, digitale Veröffentlichungen und Kooperationen, was eine erstaunliche Vitalität im Spätwerk offenbart. ‘Chemical Play School 25’, im Jahr 2025 aufgenommen, ist damit nicht bloß ein spätes Kuriosum, sondern Teil einer hochaktiven, fast schon rastlosen Phase des Projekts.

Die ‘Chemical Playschool’-Reihe besitzt einen besonderen Stellenwert im Dots-Kosmos. Ursprünglich in den frühen 80ern entstanden, diente sie meinem Wissen nach als Experimentierfeld für alles, was zu eigenwillig, zu roh, zu fragmentarisch oder schlicht zu abseitig für reguläre Studioalben war. Die CPS-Releases sind damit Orte der freien Mutation, klingende Tagebücher, Labore für spontane Klangexperimente, Improvisationen, Collagen und Miniaturen. Unter Fans genießt die Serie Kultstatus, weil sie tiefer als reguläre Alben in den kreativen Maschinenraum der Band blickt. Wer verstehen möchte, wie Dots-Musik entsteht, welche Ideen entstehen und verworfen werden, wie sich Strukturen bilden und wieder auflösen, der findet in dieser Reihe den unverfälschten Blick. ‘Chemical Play School 25’ knüpft damit auch nahtlos an diese Tradition an und zeigt erneut die mutigere, wildere Seite des Projekts.

Veröffentlicht wurde CPS25 zunächst digital sowie in einer physischen Edition am 2. Oktober 2025. Auf Bandcamp wird eine klassische CD-Version angegeben, während Discogs eine CDr-Ausgabe listet. Welche der beiden Angaben stimmt, lässt sich für mich nicht sicher klären, denn ein Exemplar konnten wir bislang weder selbst erwerben noch lag eine Promo vor. Für Sammler ist das einerseits bitter, weil CDrs bekanntermaßen keine große Langzeitstabilität besitzen; andererseits passt diese diffuse Situation perfekt zur Band, die seit Jahren abseits industrieller Strukturen arbeitet, oft nur kleine Auflagen presst und bewusst im Grenzbereich zwischen Liebhaberveröffentlichung und audiophiler Kunst agiert.

Musikalisch entfaltet sich CPS25 wie eine Reise in das Innere eines psychedelischen Kaleidoskops. Viele Stücke beginnen mit klar erkennbaren Songansätzen: eine stoisch pulsierende Drum-Machine, eine melodische, mit Dreampop- und Surf-Elementen spielende Gitarrenfigur von ‘Erik Drost’, darüber Ka-Spels rätselhaftes Changieren zwischen Sprechen, Flüstern und Singen. Diese Ausgangspunkte wirken anfangs fast zugänglich, manchmal sogar verführerisch melodisch. Doch kaum hat man sich eingerichtet, beginnt die Transformation: Strukturen zerfallen, Melodien falten sich rückwärts, Stimmen verhallen als geisterhafte Echos und elektronische Störsignale wandern wie flackernde Schatten durch die Ränder des Klangfelds. Manche Stücke kehren zu ihren ursprünglichen Motiven zurück, andere lösen sich vollständig im halluzinatorischen Nebel auf. Dieses Spiel zwischen Erwartung und Auflösung, zwischen Schönheit und Störung, gehört zu den zentralen Markenzeichen des Projekts – und wird hier mit beeindruckender Präzision und Offenheit praktiziert.

Besonders auffällig ist die für die Dots typische Mischung aus kindlicher Verspieltheit und unterschwelliger Verstörung. Ka-Spels Stimme wirkt wie die eines surrealen Erzählers, der Geschichten andeutet, aber nie vollständig preisgibt. Kleine klangliche Merkwürdigkeiten huschen am Rand der Wahrnehmung vorbei, geflüsterte Fragmente, rückwärts abgeschnittene Stimmen, scheinbar defekte Effekte, die eher wie Halluzinationen als wie Produktionsentscheidungen wirken. Dazu kommt dieser eigentümliche Gegensatz zwischen melodischer Schönheit und absichtlich eingesetzten Brüchen, der die Musik auf eine Weise lebendig macht, die man sonst nur selten findet. Die Produktion entfaltet sich besonders über Kopfhörer, denn CPS25 lebt von Schichtungen, von subtilen Bewegungen im stereophonen Raum, von Geräuschen, die nur für Sekunden aufflackern und trotzdem wichtige Impulse setzen. Obwohl viele der Stücke fragmenthaft wirken, entsteht nie der Eindruck des Unfertigen. Eher fühlt es sich an, als würde man konzentrierte Extrakte vollständiger Songs hören, präzise destilliert und bewusst verdichtet, bevor sie wieder auseinanderbrechen. Das lange Finale – etwa sechzehn Minuten, ein gleitender Tunnel aus elektronischen Sequenzen, düsteren Ambient-Flächen und bizarr verzerrten „Party“-Momenten setzt dem Album einen Höhepunkt.

Das Artwork, laut Bandcamp von ‘EK’ gestaltet und vermutlich erneut aus der Feder von ‘Edward Ka-Spel’ stammend, erweitert die Musik visuell. Die surrealistische Collage zeigt mehrfach gespiegelt angeordnete, steinern und rissig wirkende Puppenköpfe, deren ausdruckslose Gesichter und farblich betonten Augen und Lippen eine Mischung aus Ritualmaske, beschädigtem Erinnerungsobjekt und psychedelischer Vision erzeugen. Ein mandalaartiges Zentrum, geometrische Muster in Gelb und Grün sowie farblich verzerrte Flächen an den Rändern verstärken den Eindruck eines Fiebertraums, der sich langsam spiralförmig entfaltet. Das Cover wirkt irgendwie wie eine optische Entsprechung der Musik: rituell, surreal, gebrochen, hypnotisch.

‘Chemical Play School 25’ ist somit kein Album für Freunde klarer Strophen-Refrain-Schemata oder sauberer Genregrenzen. Es ist eher eine Klangreise, die Aufmerksamkeit verlangt, eine Collage aus flüchtigen Ideen, zerbrochenen Melodien und hypnotischen Miniaturen, die sich ständig neu zusammensetzen. Wer bereit ist, in diesen Strudel einzutauchen, findet ein intensives, tiefes, überraschend kohärentes Werk, das die ikonischen Stärken der Band noch einmal klar herausarbeitet. Für langjährige Fans ist CPS25 ein Muss; für Neugierige ein faszinierender Einstieg in eine der rätselhaftesten, eigenwilligsten und unerschöpflich kreativen Diskografien der experimentellen Musik.

The Legendary Pink Dots - Chemical Playschool Volume 25
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