Wenn man über ‚Men Without Hats‘ spricht, spricht man über eine Band, die das Kunststück vollbracht hat, in den späten 70ern zu starten und trotzdem wie der inoffizielle Synth-Pop-Soundtrack der gesamten 80er zu wirken. Gegründet 1977 in Montreal von Ivan Doroschuk – einem Mann, der offensichtlich schon damals beschlossen hatte, dass Hüte völlig überbewertet sind – schraubten sich die Kanadier wenig später mit dem epochalen Hit ‚The Safety Dance‘ in die Popgeschichte. Und als wäre das nicht genug, legten sie dann mit ‚Pop Goes The World‘ noch einen weiteren Dauerbrenner nach der bis heute jeden Radiomoderator zum mitsummenden Teenager werden lässt. Danach ging es für die Band irgendwie durch Pausen, Umbauten und Wiedergeburten, bis sie seit den 2010er-Jahren in einer modernen, spielfreudigen Inkarnation wieder unterwegs ist – mit Ivan am Mikrofon und einer neuen Generation an Bord.
Zu dieser aktuellen Formation gehören heute Sahara Sloan – Ivans Nichte und Tochter des Gründungsmitglieds Colin – an Keyboards und Gesang, Gitarrist Sho Murray und Drummer Adrian White. Ein Ensemble, das nicht nur live funktioniert, sondern auch im Studio seinen unverkennbaren Stempel drückt. Und genau dieses Team hat nun ‚On The Moon‘ abgeliefert, veröffentlicht am 14. November 2025 – ein Release, das sich irgendwo zwischen Mini-Album und kompaktem Synth-Pop-Statement bewegt und vor allem eines zeigt: Diese Band weiß immer noch genau, wie man Songs schreibt, die sich frech im Ohr festsetzen.
Die Musik klingt wie eine angenehm polierte Zeitkapsel: warme Synthflächen, leichte Retro-Schimmer, klare Melodien – aber nie als Kopie ihrer selbst. Der typische MWH-Charme ist schon noch da, aber er wirkt entstaubt, durchgelüftet und mit einer modernen Klarheit versehen. Man merkt deutlich, wie stark die einzelnen Bandmitglieder zur Gesamtwirkung beitragen: Sloans harmonische Vocalschichten geben der Musik eine helle, leichte Tiefe, Murray liefert den nötigen Gitarrenbiss, und Whites rhythmische Präzision sorgt für den unterschwelligen „Okay, ich wippe doch wieder mit“-Effekt. Dass das Album sehr bewusst und konzentriert wirkt, liegt vermutlich auch daran, dass die Songs in zwei Sessions im Comox Valley und in Victoria entstanden sind – fernab von Großstadtstress und mitten im kanadischen Entspannungsmodus.
Was mir an ‚On The Moon‘ besonders gefällt, ist die Haltung, die dahintersteckt. Statt sich krampfhaft zu modernisieren oder nostalgisch am eigenen Denkmal festzuklammern, balancieren ‚Men Without Hats‘ souverän zwischen Rückblick und Gegenwart. Die Musik hat dieses heitere Funkeln, aber auch eine angenehme Reife – ein bisschen so, als würde die Band sagen: „Ja, wir wissen, was wir können. Und nein, wir müssen niemandem mehr etwas beweisen.“ Selbst die melancholischeren Stellen bleiben leicht und niemals schwerfällig. Und dann wäre da noch der mutige Abschluss: eine eigenwillige, angenehm schimmernde Interpretation von John Lennons ‚Jealous Guy‘, die zeigt, dass die Band nicht nur die Vergangenheit ihrer eigenen Klassiker pflegt, sondern auch andere Ikonen auf ihre Weise durch den Synthesizer dreht, ohne den Respekt zu verlieren.
Natürlich gibt es ein paar kleine Punkte, die man fairerweise erwähnen sollte. Das Release ist kompakt – sieben Songs und Schluss. Wer also auf epische Mammutwerke steht, könnte kurz irritiert sein. Aber ganz ehrlich: Lieber sieben gute Songs als fünfzehn, von denen die Hälfte klingt wie „Wir hätten früher schlafen gehen sollen“. Außerdem wird niemand, der konsequent auf 80er-freiem Diät-Pop besteht, hier plötzlich bekehrt werden – dafür ist die DNA der Band einfach zu konsistent. Für alle anderen aber – Synth-Pop-Fans, nostalgische Plattenliebhaber, Menschen mit einer Schwäche für charmante Melodien und gut gelaunte Elektronik – ist ‚On The Moon‘ eine kleine Freude. Es ist ein warmes, souveränes und überraschend zeitgemäßes Werk, das zeigt, wie elegant eine Band altern kann, wenn sie nicht versucht, jemand anderes zu sein. Und ja: Die Welt wirkt tatsächlich ein bisschen freundlicher, wenn ‚Men Without Hats‘ neue Musik veröffentlichen. Manchmal braucht man einfach keine Hüte – nur gute Songs.
Men Without Hats - Men Without Hats On The Moon
The Legendary Pink Dots - Chemical Playschool Volume 25
‘The Legendary Pink Dots’ begleiten die weltweite Underground-Szene seit Anfang der 1980er Jahre und haben dabei ein Klanguniversum erschaffen, das weniger wie das Werk einer klassischen Band wirkt und eher wie ein fortwährend wachsendes Parallelreich. Gegründet in London, später in Amsterdam heimisch geworden, lebt der Kern des Projekts bis heute von der unverwechselbaren Stimme von ‘Edward Ka-Spel’ und der oft halluzinatorischen Gitarrenarbeit von ‘Erik Drost’. In den letzten Jahren waren die Dots ungewöhnlich produktiv: Fast im Jahresrhythmus erschienen neue Alben, Spezialeditionen, digital...
A Spell Inside: Melodien für die kalte Jahreszeit und ein Album am Horizont
Klar, es gibt sie noch, diese seltenen Novembertage, an denen man das Gefühl hat, die Welt brauche ein musikalisches Heizkissen – und genau hier grätschen ’A Spell Inside’ rein, als hätte das Synth-Wave-Universum persönlich bei ihnen einen Eilauftrag hinterlassen. Drei Jahre nach ihrer letzten größeren Veröffentlichung und pünktlich zur dunklen Jahreszeit haut das Trio aus Düsseldorf/Neuss seine dritte Vorabsingle zum kommenden Album Last raus. Der digitale Release "One More Century" wirkt dabei weniger wie ein gewöhnlicher Appetizer und eher wie der Moment, in dem man beim Kuchenbacken verseh...