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The Gathering - Home
Man stelle sich vor, es gäbe keine lästigen Bauvorschriften mehr, die Architekten des allgemeinen Geschmacks würden abgewiesen werden & gleich mehrere konkurrierende Bauleiter zeichnen für die Umsetzung aller Wohnraumträume verantwortlich. Alte, inzwischen einengende, Mauern wurden mit der Planierraupe platt gemacht & gleich noch die Bausparkasse gewechselt… So, oder so ähnlich, stellt man sich die Gewerke an einem neuen Zuhause für The Gathering vor. Stagnation oder beharren auf nur einem Genre lag ihnen noch nie. Dennoch jagen sie auch nach 16 Jahren & dem inzwischen 9ten Studioalbum keinem kurzlebigen Trend hinterher. Patchwork beherrscht ihre Privatgemächer, neben kleinen Souvenirs & verstaubten Mandolinen ist überall noch Platz für Neues. Ums gleich vorweg zu nehmen, dieses Zuhause wurde für Anneke van Giersbergen gebaut. Die gesamte Produktion von Attie Bauw (Scorpions, Judas Priest, Latoya Jackson) stellt sie & ihre Stimme in den Vordergrund. Das Haus gleicht beim betreten einer gut aufgeräumten Villa Kunterbunt. „Shortest Day” vermittelt fröhlich forschen Indie-Rock der sich allerdings nicht nur vocal vom gängigen Einerlei differenziert. Da kommen Fragen nach Funktion des Ortes & vor allem wie wohl sich die Niederländer nun hier fühlen erst einmal nicht hoch. Filigraner & doch im gleichen Stil geht’s mit „In Between” zu den Frühbeeten im Sonnenuntergang. Beim Anblick neuer Knospen im Garten überkommt die Band jedoch die Erinnerung an glückliche Tage mit Lieben die nun nicht mehr unter ihnen weilen. Melancholie macht sich breit, will die kommende Nacht mit Spieluhr & einer breiten Auswahl an Zupfinstrumenten an sich reisen. Doch „Alone“ macht da nach knapp 3 Minuten sphärisch klar, das kommen & gehen halt das Perpetuum des Lebens sind. Inzwischen dämmert es - „Waking Hour”. Man hält es für unnötig, das Licht einzuschalten, der Tisch steht in der Mitte des Raums, man antizipiert seine Gegenwart & weicht ihm aus. Vielleicht streckt man noch seine Hand aus, um die Kanten zu berühren & seine Antizipation zu bestätigen - doch schon stößt man sich hier am völlig Unerwarteten! Zum Piano gesellt sich nun ein Synthiebeat, die Gitarren schrammeln energischer zu glockenhellem Gesang & plötzlich umgibt einen wieder Gothic-Rock-Ambiente. Sie sind ihren ehemaligen Einrichtungsstil anscheinend noch nicht leid, auch wenn sie schon bis zur Erschöpfung düstere Atmosphären & spannungsgeladene Intros produziert haben – „Fatigue“ reiht sich hier akut mit allerlei Percussion ein. Inzwischen im Arbeitszimmer angekommen erahnt man die Liebe der Bewohner zu Klassikern. „A Noise Severe” adaptiert samt Orgelklang nicht nur die ewiglich Verehrten, Rhythmus & Gitarre erinnern zuweilen auch an Procul Harum. Schwelgen, mal der Wirklichkeit entschweben könnte nun besonders gut zu den Klängen des anschließenden Pianos im Nebenraum passen. Doch „Forgotten” ist kein dezenter Ball-Saal, dieses Lied (im wahrsten Sinne des Wortes) wird schlicht von der sinnierenden Stimme getragen.Trost spenden da die raffinierten Tapas im Intro von „Solac”. Im Marsch-Rhythmus geht’s mit Heißhunger in die Küche, essen macht zuweilen ja auch irgendwie glücklich. Noch einen Happen keltische Folklore auf den Teller & „Your Troubles Are Over”. Der etwas lässigere Pop blitzt inzwischen wieder aus den Strophen hervor. Im Briefkasten liegen kurze Nachrichten voller Tempiwechsel & Loops zum träumen - „Box“ verschafft uns damit anderthalb Minuten Pause beim Rundgang. Inzwischen fühlt man sich hier ganz daheim & „The Quiet One“ unterstreicht dies lauschig mit Akustikgitarre. Doch halt, jene Gemäuer in denen diese Lieder entstanden, um uns in nachdenkliche Traumlandschaften einzutauchen, sind nicht das bandeigene Heim… von Nijmegen aus folgten sie der A15 in Richtung Rotterdam. Nahmen die Ausfahrt Tiel/Maurik & überwinterten dort für die Arbeiten am Album in der La Divina Commedia Church. Schon die alten Römer schätzten Mannaricium & deshalb verwundert es auch nicht das „Home“ von schleppend, schwermütigem Abschiedsflair geprägt ist. Man ist längst schon wieder auf der Suche nach neuen Ufern & lässt den gewohnten Glockenschlag nach etwas über einer Minute in „Forgotten Reprise“ elektronisch nachhallen. Das The Gathering eigentlich überall & nirgends zu Hause sind, vermitteln sie nach diesem Album auch livehaftig dem Publikum von Sao Paulo bis hin nach Kassel. Ein bisschen Frischluft nach der ganzen Stubenhockerei hat schließlich noch niemandem geschadet. Wer sich am 21.04.06 in Aschaffenburg selbst davon überzeugen will, der versuche sein Glück in unserer Verlosung.