Ich will ehrlich sein: Nach dem ersten Durchlauf von "Illuminate" war ich drauf und dran, das CD-Debüt von The Azoic unbesehen und -besprochen den sorgsamen Händen der örtlichen Recycling-Betriebe zu übergeben. Mittlerweile aber dreht der Silberling nach einem gewissen Abstand zum vierten oder fünften Mal seine Runden durch meinen Player, und das geistige Bild von dem, was die 11 Songs auf der CD musikalisch sind, beginnt etwas differenzierter zu werden...

Beginnen wir mit Angenehmem: Technisch ist "illuminate" über jeden Zweifel erhaben. Ordentliche optische Aufmachung, dazu ein glasklarer, transparenter, wuchtiger Sound, der viel Raum dafür bietet, auch Kopfhörerbegeisterte in vielschichtige Klangwelten richtiggehend eintauchen zu lassen. Dazu kommen mit Sängerin / Frontfrau Kristy und Keyboarder / Elektronik-Mann-für-alles Steve zwei Musiker, die ihr Handwerk (ihre Kunst?) verstehen und in der Lage sind, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Werkzeugen ihre Songs in durchaus ordentlicher Art und Weise umzusetzen. Trotz somit denkbar guter Rahmenbedingungen will sich absolute Begeisterung für "illuminate" bei mir nicht so richtig einstellen; die Stellen, an denen THE AZOIC auf ihrem Europa-Debüt schwächeln, finden sich andernorts. Mit "let me tell you something" hat das Album eigentlich einen guten Start; dem Hörer bläst ein gutartiger Uptempo - Electro - Kracher um die Ohren, geprägt von abwechslungsreich arrangierter Rhythmik, clever eingesetzten Sound-Effekten und sauber in das Konzept des Songs eingearbeiteten Vocals. "going under", Song Nummer Zwo und sowohl vom Tempo als auch stilistisch ähnlich, vermag dies durchaus noch zu toppen, wirkt energisch und ungestüm, lebt von exzellenten Gesangs-Parts und einer ganzen Reihe guter Ideen und bildet für mich, um es vorwegzunehmen, den Höhepunkt des Albums.

Zwar kann "illuminate" noch mit einer Reihe brauchbarer Songs aufwarten, etwa "conflict", "carve into you", dem etwas ruhigeren "ever" oder dem (sehr gelungenen) Outro "passage". Das Level, auf welchem sich die Band zu Beginn des Longplayer bewegt, wird jedoch zu keinem Zeitpunkt mehr erreicht; dafür schleichen sich ein paar regelrechte "Ausreißer nach unten" ein, die den Gesamteindruck der Platte belasten, etwa der belanglos-nervige Tralala-Refrain des ansonst recht ordentlichen "the one" oder dem eher mißlungenen Cover-Song "obsession" (man beachte übrigens die Lyrics: "...you are an obsession / you are my obsession / who do you want me to be / to make you sleep with me..." - aaaaargh!). Durchschnittlich muß leider festgehalten werden, daß ab dem dritten Song das Songwriting auf "illuminate" deutliche Schwächen hat - im Gegensatz zu den ersten beiden Tracks werden die Songs immer berechenbarer, kann man Breaks, Effekte oder Melodiepassagen bei Gesang oder Synthies recht gut vorhersagen, entsteht stellenweise leider der Eindruck, daß die Band ihr gesamtes kreatives Pulver recht schnell verschossen hat.

Songs wie "illuminate", "eternal" oder "truth" sind nicht wirklich schlecht, letztlich fehlen aber markante Ideen, die die verschiedenen, fast durchweg schnelleren Songs unterscheid- und erkennbar zu machen. Dazu kommt noch ein anderes Problem: Die amerikanische Plattenfirma vermarktet The Azoic als "Mischung aus Dance/Trance, EBM, Industrial und Synthpop" - nun, je länger die CD läuft, desto häufiger hat man den Eindruck, daß sich die Balance Richtung mainstreamigen Dance-Pops verlagert (was mir am deutlichsten bei den männlichen Vocals von "eternal" auffällt, die ich während des Durchlaufs der CD am liebsten per Equalizer entsorgen möchte), was der Musik ganz und gar nicht guttut. Fazit: "illuminate" ist ein solides, handwerklich ordentliches Album, welches (um es positiv zu formulieren) der Band jede Menge Potential für zukünftige Verbesserungen bietet. Wäre das Album als EP veröffentlicht worden, wäre der Eindruck wohl entschieden besser; so bleibt ein (von ganz wenigen richtigen Minuspunkten abgesehen) durchschnittliches Album mit ein paar richtig guten respektive ausbaubaren Ansätzen. Mal sehen, was die Zukunft noch bringt.