Wer Finnen (und insbesondere Samen) kennenlernt, der erlebt zumeist Menschen, die sich auf das Wesentliche in der Kommunikation beschränken. Menschen, die häufig eher die Einsamkeit bevorzugen, Ruhe anstreben und die ihren Urlaub im eigenen Land verbringen. Und wer Finnland bereist hat, wer den Sommer, Herbst und vor allem Winter gesehen und gespürt hat, der kann diese Menschen verstehen. Diese unendliche Weite und Einsamkeit, die Kargkeit im Norden und die Wälder im Süden – dieses Land kann so viel geben aber auch mitreißen und nie wieder loslassen.

Und dann sind da Tenhi und ihr sechstes Album "Saivo" (das samische Totenreich). Und nach 5 langen Jahren scheint dieses Album auch wie aus dem Totenreich. Ein Geschenk, eine Freude, eine Kopfreise nach Finnland. Wer die Band bisher noch nicht kannte (denn all diejenigen, die Tenhi kennen und lieben werden auch dieses Album einfach kaufen und lieben) muss sich zunächst umstellen: Tenhi sind nicht Folk. Hier wird nicht Naturverliebtheit oder -romantik zelebriert. Hier IST die Natur. Mit einer grandiosen Instrumentierung, die nur das Nötigste offenbart und einer sanften und zurückhaltenden umgesetzten Melodieführung lassen Tenhi dem Hörer viel Raum für das eigene Kopfkino. Es werden keine fertigen Bilder vorgesetzt, es werden nur Ideen gepflanzt. Dem zugute kommt auch der Gesang: Mehr raunend als singend beschwört jede Textzeile wohlige Gänsehaut – und das, obwohl die allermeisten am Finnischen scheitern werden. Das mag aber auch Tenhis größtes Geschenk sein, gewinnt doch die Musik gerade dadurch, dass sie nicht greifbar ist und keine fixen Bilder aufzeigen will.

Jeder Hörer darf sich seinen eigenen Ort der Einsamkeit aufbauen und in diesem Gefühl der vollkommenen Umschließung durch die Natur schwelgen. Ich möchte keines der Lieder nennen, denn "Saivo" ist ein Gesamtkunstwerk, das entweder am Hörer Wirkung zeigt oder ihn eben gar nicht greifen kann. Denn man muss die Einsamkeit wollen. Man muss diese Stimmung wollen. Kurz: man muss Tenhi wollen. Dann erlebt man das Kraftvolle im Stillen, das Sehnsüchtige im Klaren und sich selbst in den Zwischentönen. Einen besonderen Leckerbissen findet der interessierte Leser beim zweiten Link: Mit dem wundervollen Video von "Saivon Kimallus / Siniset Runot" können wir Anfang und Ende von "Saivo" erleben.