Zum 30-jährigen Jubiläum der ersten Talk-Talk-Single "Mirror Man" legt EMI die hauseigenen Platten der Briten neu auf und gibt uns damit die Gelegenheit, ein Stück Musikgeschichte noch einmal aufzurollen und eingehend zu betrachten. Dieser Umstand ist nicht nur deshalb interessant, weil Talk Talk zu einer der bedeutendsten Bands der 80er zählt, sondern neben Wave und Pop auch den Avantgarde-Rock geprägt hat. Vor allem aber sind Talk Talk eines der erstaunlichsten Beispiele für eine der ungewöhnlichsten Transformationen der Musik, denn wer ihr erstes Album "The Party's Over" und ihre letztes "Laughing Stock" vergleicht wird merken, dass sie sich schlichtweg nicht vergleichen lassen.

Allgemeinhin wurden und werden Talk Talk als Vertreter des Pop wahrgenommen, was hauptsächlich durch ihre beiden ersten Platten "The Party's Over" (1982) und "It's My Life" (1984) begründet ist. Kenner der Band beziehen sich dagegen oft nur auf die beiden letzten Platten "Spirit Of Eden" (1988) und "Laughing Stock" (1991), die schlechthin als Meilensteine der Avantgarde und Prog Musik gelten. Doch wie konnte es zu so einer Metamorphose kommen? Um diesen Prozess in seiner Gänze zu verstehen, muss man zu den Anfängen der Band und ihren Einstieg ins Musikbusiness zurück gehen.

Sänger und Kopf von Talk Talk, Mark Hollis, hatte durch seinen Bruder, den DJ und Produzenten Ed Hollis, schon früh die Möglichkeit, seine Musik bzw. die seiner ersten Band Reaction an Labels heranzutragen. Durch seinen Bruder lernte Hollis nach der Auflösung von Reaction die Musiker Paul Webb, Lee Harris und Simon Brenner kennen, mit denen er 1981 Talk Talk gründete. Durch einen glücklichen Zufall traten Talk Talk in David Jensens Radio-One-Show auf, woraufhin EMI auf die vier aufmerksam wurde und sie einen Plattenvertrag bekamen. So folgte die erste Single "Mirror Man" und das Touren im Vorprogramm von Duran Duran. Colin Thurston, der Produzent von Duran Durans Debütalbum, sollte auch das Debüt von Talk Talk massentauglich machen, nachdem die Singles "Talk Talk" und "Today" gut liefen.

Doch Talk Talks Debüt "The Party's Over" klingt wie die aufpolierte New-Wave-Version einer melancholischen und ihren Weg erst noch suchenden Band. Das trommelnde "Hate" lässt die Punk-Wurzeln dieser Zeit noch gut erkennen, wenn auch der Refrain furchtbar schnulzig verhunzt wurde. Dagegen stehen die langsamen und getragenen Ohrwürmer wie "Have You Heard The News" oder der Titelsong "The Party's Over", denen der bittersüße Beigeschmack zwar nicht minder abgeht, zu denen es aber gut passt. Natürlich sind auch die poppigen und auf Disko getrimmten Single-Songs "Talk Talk" und "Today" dabei, die für Talk Talk damals die Türen öffneten. Heute sind diese Songs Klassiker des Synthiepop. "Mirror Man" ist dagegen das schlechte Beispiel dafür was passiert, wenn fremde Leute die eigenen Songs produzieren. Der Sound ist furchtbar und der Song hätte in der Form auch für den Vorspann einer Vorabendserie Anfang der 80er herhalten können. "The Party's Over" ist aber angesichts der Zeit, in der das Album erschien, eine gelungene Platte.

Für Talk Talk war das Album aber nur der Auftakt zu einer großen Karriere und trotzdem das mit Abstand schlechteste Album der Band. Nach der Singleveröffentlichung von "My Foolish Friend" von 1983 verließ Simon Brenner die Band und wurde durch Tim Friese-Greene ersetzt, der sich mit Mark Hollis um das Songwriting und die Produktion kümmerte, aber nie offizielles Bandmitglied wurde. Was dann folgte, war wie ein Paukenschlag für die Band. Ihr zweites Album "It's My Life" (1984) wurde ein grandioser Erfolg und das trotz der Reduzierung der Synthesizer-Einsätze. Die Songs "Such A Shame" und der Titelsong "It's My Life" trugen die Band in den Pop-Olymp und in die Charts. Selbst fast 30 Jahre später stiegen Ihre Songs wieder in die Charts ein, durch Sandras Cover von "Such A Shame" und No Doubts Version von "It's My Life". Doch neben diesen beiden Songs hat das Album natürlich noch viele mehr zu bieten, etwa das leicht verschrobene "Tomorrow Started", das schon einen ersten, ganz kleinen Ausblick auf die kommende Entwicklung von Talk Talk gewährt, genauso wie das ruhige "Renee", dem man deutlich die Abkehr der Band von den Synthesizern anhört. Andere Songs wiederum sind tief in den 80ern fußende Nummern (z.B. "The Last Time" oder "Does Caroline Know?"), die heute durch ihren leicht angestaubten Charme glänzen und denen man sofort anmerkt, aus welchem Jahrzehnt sie stammen.

Die nun von EMI veröffentlichen Neuauflagen beinhalten in der CD-Version keinerlei Bonusmaterial, gewähren aber einen schönen Einblick in ein Stück Musikgeschichte, das auch heute noch hörenswert ist. Richtig spannend ist es vor allem, den Transformationsprozess von Talk Talk von der Pop-Raupe hin zum Avantgarde-Schmetterling mit zu verfolgen. Doch dazu später mehr…