Anfang des Jahres zog ein Aufsehen erregendes Wintergewitter über Europa. Sein gewaltiges Ausmaß hinterließ ein beeindrucktes Publikum. Wesentlicher Vorbote des Donnerwetters waren Supreme Court. Sie sorgten für das erste heftige Grollen der Gewitterfront. Nach der erfolgreichen Absolvierung der Wintergewittertour erwartet alle alten und neuen Fans der Chemnitzer nun ein Soundgewitter. Das neue Album „Hypocrites & Saints“ des Elektro-Projekts steht in den Läden – bereit über seine Zuhörer hereinzubrechen. Nach seinem Debüt „Yell It Out“ und bereits 11 Jahren Bandbestehen legt das Trio damit erst sein zweites Album vor. Es heißt ja bekanntlich: „Was lange währt, wird gut“. Und auch in diesem Fall bestätigt sich diese Weisheit. Auf ihrem aktuellen Longplayer überzeugen Kay Härtel, Enrico Kunze und Sebastian Nebel durch die selten gewordene Symbiose aus tiefgründigen Texten, detailverliebten Soundspielereien und geradlinigen, pulsierenden Bässen. In Zeiten überschwemmter Musikmärkte macht genau das Platten so kostbar. Supreme Court schaffen, was zahlreich sprießende Hell-Electro-Klone vergeblich versuchen. Dieses Album bereitet nicht nur der Zuhörerschaft Spaß, es hat augenscheinlich (bzw. ohrenscheinlich) auch dem Künstler Spaß gemacht. Und das hört man. Die Elektroformation geht auf „Hypocrites & Saints“ keinem unbeliebten Thema aus dem Weg. Es zeichnet nicht allein das Spiegelbild von Heuchlern und Heiligen. Es zeichnet das Spiegelbild einer Gesellschaft aus Lügnern, Gewinnern, Verlierern, Betrügern und Unschuldigen. Kay verzichtet auf plakative Vorwürfe, zeichnet lieber deutlich das Bild einer Realität, die viele von uns bereits ereilt hat. Er verzichtet scheinbar bewusst auf eine künstliche geschaffene Endzeitstimmung, durchbohrt lieber tiefgründig die Oberfläche der schönen Scheinwelt. Und auch wenn die Grundstimmung der Platte durchaus düster ist, hinterlässt „Hypocrites & Saints“ ein beruhigendes Gefühl. Es beruhigt vor allem ungemein, dass man sich hier scheinbar die Zeit genommen hat, intelligente Texte wohlüberlegt mit tanzbaren und treibenden Klängen zu paaren. Musikalisch legen die Chemnitzer eine sehr differenzierte und frische Palette an Soundkombinationen vor. Durchweg eingängig treibende, durch knallharte Bässe unterstützte Rhythmen machen jeden einzelnen Song zu perfektem Clubfutter. Wunderbar melodisches „Finetuning“ verleiht jedoch jedem Stück seine Eigenständigkeit. Zusätzlich bestimmen Härtels differenziert eingesetzte Vocals bewusst die Stimmung der Titel. Mit „Jealous Man“, „Traitors & Cowards“ und „Voice Of Lying“ seien drei Glanzlichter genannt. Hören sollte man jedoch bestenfalls das komplette Album. Es gibt natürlich auch auf „Hypocrites & Saints“ schwächere Stücke, die sich dennoch gut in das Gesamtgefüge des Longplayers einfügen. Ebenso die Stücke „Carefully Deceived“ und „Things We Forgot“, die in Zusammenarbeit mit den Musikerkollegen Painbastard und Dennis von Solitary Experiments entstanden sind. Schlussendlich ist dem Elektro-Trio ein rundum rundes Werk gelungen. Neben der „einfachen Albumversion“ gibt es eine auf 999 Stück limitierte Doppel-CD mit diversen Remixen und bisher unveröffentlichtem Material. Die Bonus-CD ist in diesem Fall absolut lohnenswert. Die Remixe überzeugen durchaus mit einer klaren Eigenständigkeit. Und die bisher unveröffentlichten Nummern „Szintiscanner“, „Reactor Fermi“ und „VEB Kondensator“ waren eindeutig reif für eine Zuhörerschaft. Seit bisweilen 12 Jahren haben sie in Schubladen auf ihre Veröffentlichung gewartet. Unglaublich, dass Supreme Court uns so lange hat warten lassen. Auch wenn sich die Tracks in ihrem Stil klar von den aktuellen Titeln abgrenzen, sind sie eine absolute Bereicherung für „Hypocrites & Saints“. Mein Fazit fällt durchweg positiv aus. „Hypocrites & Saints“ ist ein eigenständiges, bis zum Ende durchdachtes und absolut gelungenes Album. Daumen hoch.