Skratte – Akt II: Des Wolfes Klagen

Skratte – Akt II Des...

Promos sind wie eine Schachtel Pralinen. Man weiß nie, was drin ist, oft hat man aber eine Ahnung und manchmal liegt man mit dieser Ahnung vollkommen falsch. Heute berichte ich von einem ausgesprochen erfreulichen Falschliegen und auch wenn ich am Ende nicht vollkommen euphorisch bin, hoffe ich doch, dass Lesende dem Projekt zumindest den Respekt erweist, mal reinzuhören. Denn dieses Bemühen muss belohnt werden.

Ich war eingestellt auf Black Metal, Bandlogo und Coverartwork der beiden Alben sorgten eher für eingeschränkte Vorfreude, weil ich dahinter zweit bis drittklassige Schepperware erwartete. Ich war gewappnet für monotones Geschepper, der Wolf auf dem Cover und die Titel der Lieder ließen Pagan Elemente vermuten (womit man ja nicht ganz falsch liegt, aber im Positiven), einzig die Abmischung durch Markus Stock ließ hoffen. Ich wollte mit Vorsicht genießen, hoffte zumindest nicht auf den vollen Rohrkrepierer und das Intro „Offenbarung“ ließ noch alle Möglichkeiten offen, ein Intro wie viele andere. Doch „Kältetod“ ist quasi das Gegenteil von dem, was ich erwartet hatte. Statt monotoner Schepperei mit üblen Keyboards und unverständlichem Gekeife beginnt Skratte diesen Titel in einem Soundgewand, der zu 100% den Goth Rock der 90er aufleben lässt: Dreadful Shadows, Love like Blood, erinnert sich da noch jemand? Rockig-straightes Gitarrenspiel, tanzbares Schlagzeug und ein Klargesang, der sich nicht verstecken muss und melancholische Melodien zaubert. Hui. Und während ich ungläubig nachsehe, ob da bei den Dateien etwas falsch benannt wurde, setzt kurz vor der dritten Minute Keifgesang, Blastbeats, Double Bass und etwas Tremolo Picking ein und eine Minute lange deutlich zu machen, dass Skratte Black Metal sind. Irgendwo in Richtung Taake hat man sich selbst verortet, ich erinnere mich da an das geniale Einzelwerk von Bluttaufe, anno 2000, zumal man nach diesem kurzen Wutausbruch melodisch weitermacht, mit Sprechgesang und schmachtig romantischen E-Gitarren um schließlich zum Abschluss noch einmal dem Goth Rock Gott zu huldigen. Ich bin hin und weg. Skratte erreichen in meinen Ohren an keiner Stelle mehr eine solche perfekte Melange unterschiedlichster Genres und eine so großartige Stimmung, aber „Kältetod“ alleine stellt für mich fast einen Kaufgrund dar. In meiner überraschten Überforderung wusste ich nun wirklich nicht, was Hevnbrann, Solokünstler und Kopf von Skratte, hinter einem Titel wie „Wolfsklagen“ verbergen mag. Es wird wieder eigenwillig, wenn auch eher klassisch: Nach zwei Minuten folkiger Plänkelei setzt recht abrupt Dark Metal ein, so ein wenig Crematory in gut, alles im mid-Tempo und … jaaaaa, okay. Ich will mir schon ein abschließendes Urteil anmaßen, da folgt ein stiller Folkteil, bei dem insbesondere der leicht schwülstige, halb geflüsterte Sprechgesang mein Herz berührt. Unterbrochen von einigen emotionalen Riffs geht es so eine ganze Weile, bevor meine Begeisterung auf eine harte Probe gestellt wird, denn mit dem einsetzenden Frauengesang zu einem weiteren Melodiewechsel wird es arg kitschig, Werthers Echte Zahnkleb-Niveau, gefolgt vom Dark Metal, der schon 8 Minuten vorher zu hören war. Nicht immer geil, aber in jedem Fall hochspannend und mühevoll. Skratte erhalten von mir ein Fleißbienchen, denn auch wenn ich mir sicher bin, dass unsere musikalischen Visionen auseinandergehen, finde ich das Einflechten ungewöhnlicher Bestandteile ungemein geschickt und harmonisch.

Was gibt es noch zu hören: Folk und Violinenspiel, etwas Finntroll-Feeling vermischt mit progressiven Rocksounds der 70er, Folklore und leichter Wahnsinn, Kitsch und Härte und eine insgesamt deutlich schwächere zweite Albumhälfte (aber das sagt einer, der vielleicht auch nur nicht viel anfangen kann mit den vielen pagan Elementen). Immer wieder überrascht Hevnbrann mit Ideen, die erst vor den Kopf stoßen und dann, nach kurzer Eingewöhnung ungemein schlüssig zum bisherig Gehörten passen. Wenig anfangen kann ich auf Dauer mit den Dark Metal Elementen, dem Frauengesang, der mich immer mit Gruseln an Thüringer Pagankitsch oder Schrecklichkeiten wie damals Weltenbrand erinnern lässt, und einigen Textfragmenten, die ich verstehen konnte und die mich nicht einluden, da genauer zu investigieren – das wirkte alles deutlich gewöhnlicher als die Musik es hoffen lässt.

Skratte machen verdammt viel goldrichtig und vielleicht werden diejenigen Hörer, die auch mit den benannten Kritikpunkten etwas anfangen können, behauten, dass hier alles richtig ist. Ich bin in jeden Fall sehr froh, dieses Album kennenlernen zu dürfen, denn Überraschungen sind doch eher selten im Musikgeschäft, vor allem Positive. Deswegen unbedingt reinhören, zumindest in das unten verlinkte Video – ich werde „Kältetod“ als Ganzes und viele Einzelelemente aus den restlichen Stücken mehr als positiv in Erinnerung halten und das Debüt auch noch sichten. Respekt!


Skratte – Akt II: Des Wolfes Klagen

03.02.2023


https://skratte-northernsilence.bandcamp.com/album/akt-ii-des-wolfes-klagen


  1. Offenbarung
  2. Kältetod
  3. Wolfsklagen
  4. Als der letzte Atem erstarb
  5. Vidéki ballada
  6. Spuk im Unterholz
  7. Der Waldgeister Tanz
  8. Todgeweiht



Skratte – Akt II: Des Wolfes Klagen
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