Bedrohlich knarzende, wie Wellen schwappende Basslinien leiten das fünfte Album "Der stille Tod" der Leipziger Formation Intent:Outtake ein. "Die Stille davor" ist wie das dräuende Unwetter am Horizont, wie das Wetterleuchten und die Ankündigung, dass es gleich ziemlich heftig werden wird. Versprochen ist versprochen! Im nachfolgenden "Moloch" heißt es: "Die Wut kriecht in uns wie ein stilles Gebet". Ja, Musiker Andreas Engleitner und Sänger Bastian Polak haben ordentlich Druck auf den Kesseln, den sie so langsam entweichen lassen. Die schweren Beats und mollschwangeren Seqenzen sind wie das leise Pfeifen des Teekessels. Was langsam gärt, wird endlich Wut.

Die erste Explosion erfolgt mit "Tabula Rasa", einem Song, der seinem alle Ehre macht. "Ihr kotzt mich an" krächzt Bastian ins Mikro, und man glaubt ihm jedes Wort, wenn er im Nachfolgenden aufzählt, was ihm so gehörig auf den Zeiger geht. Doch wo anfangen? Das Duo setzt zu einem akustischen wie verbalen Rundumschlag an, bei dem jeder sein Fett weg kriegt, der die bestehende Weltordnung nicht zumindest in Frage stellt und weiter in seiner Blase ein scheinbar harmonisches Leben führt und die globalen Probleme verdrängt. Selten haben solche Zeilen mehr Aktualität besessen wie dieser Tage.

Mit einer ähnlich schonungslosen Haltung richten sie in "Tic Toc Tod" über diejenigen, die sich intensiv ihr Leben in den Sozialen Medien ausbreiten. Die Kritik adressiert das Duo aber an beide Lager, nämlich sowohl an jene, die mit plakativer Hip- und Coolness ihre oberflächliches Influencer-Dasein rechtfertigen, als auch an die Menschen, die bereitwillig diese Oberflächlichkeit konsumieren und unreflektiert beklatschen.

Das Trübsinnige an "Der stille Tod" ist vor allem die scheinbare Ausweglosigkeit dieser Gesamtsituation. Denn wenn in "Gott:innen" gendergerecht die höheren Mächte gefragt werden, warum all dieses Leid auf der Welt, all die Kriege und Hungersnöte, geschehen, klingt das schon sehr nach Verzweiflung. Da hilft dann auch kein woker Sprachgebrauch mehr, wenn die Gesellschaft sich ihre eigene Hölle kreiert hat. Intent:Outtake durchkreuzen mehrere Themen, auf die sie mit aller Macht draufhauen können. Einerseits sind die globalen Nöte so groß und der Handlungsbedarf eminent, andererseits verdingen sich besonders hierzulande einige durcherregte Menschen in eine genderneutralen Sprache, den sie in einen öffentlichen Diskurs ziehen, der nur Zeit kostet, den man andernorts sinnvoller hätte investieren können.

Diese wenigen Beispiele belegen, dass es den beiden Musikern ernst ist mit ihrer Kunst. Zwar bedienen sie einige gängige Hellectro-Maniersimen, dennoch schaffen sie es, durch Tempiwechsel ("Tic Toc Tod" beispielsweise glänzt mit einem angenehm verschleppten Shuffle-Beat) Dynamik und Abwechslung in die Platte zu bringen. Um mal einen Vergleich zu bemühen, kann man die musikalische Qualität von "Der stille Tod" mit jener von Combichrist gleichsetzen.

Damit beweist das Leipziger Gespann, dass sie wie guter Wein mit den Jahren immer besser werden. Die seit 2015 existierende Kooperation der beiden Musiker muss sich auf einem hart umkämpften Markt beweisen. Dunkelelektronik ist seit jeher ein überbesetztes Genre, viele Bands verschwinden so schnell, wie sie gekommen sind. Auch Intent:Outtake waren zu Beginn eine Band von vielen, die es aber mit Beharrlichkeit und immer besseren Ideen geschafft hat, sich von der breiten Masse abzusetzen.

Mit diesem Album ist ihnen nun das Kunststück gelungen, eine gut produzierte Platte mit zwar gängigen Sounds zu kreieren, diese aber durch interessante Harmonien und ausgefeilte Arrangements zu veredeln. Das abschließende "In Nomine Patris", eine letzte religiöse Anrufung, erschafft mit den tröpfelnden Klaviertönen und breiten Flächen eine Atmosphäre, wie es sonst nur Diary Of Dreams können (und wer die letzte Rezension zu "Melancholin" hier gelesen hat, weiß, was für großes Tennis das ist). Es ist unstrittig, dass Intent:Outtake also noch einige Pfeile im Köcher haben, von denen sie auch sicherlich Gebrauch machen werden.