Im Newsletter des engagierten Conzoom Labels wird das Debütalbum „Evolve“ der britischen „Sinestar“ mit einem gebührenden Vorschusslorbeeren angepriesen: „Du wirst dieses Album lieben, das versprechen wir Dir!“ Da nicht nur bei zwischenmenschlichen Beziehungen die Liebe oftmals einen zweiten oder dritten Blick zum nachhaltigen Gedeihen benötigt, sind auch liebevolle CD-Rezensionen manchmal erst nach dem vierten intensiven Hinhören möglich: überstürzte Sympathiebekundungen enden dagegen nicht selten schmerzhaft. Das Quartett aus der traditionsreichen Musikhochburg Bristol gibt jedoch sein Bestes, sich die in Aussicht gestellte Liebe gleich mit den allerersten Takten des Openers „Ready, Set, Go“ zu erspielen. Ein fetter, treibender Soundteppich unterlegt eine Stimme mit hohem Wiedererkennungswert, die ich irgendwo zwischen Placebo-Vocalist Brian Molko und Iris-Chanteur Reagan Jones verorten würde. Die anfängliche Geschwindigkeit wird zwar nicht über die komplette Spielzeit des Albums durchgehalten, doch generell basieren nahezu alle Songs auf einer immanenten lebensbejahenden Dynamik, die sich in hymnischen Refrains entlädt: für diese These seien neben der Vorab-Single „Fortunes Faded“ noch „Falling“ und „Chemical Romance“ genannt, letzterer Song prägt sich dank quietschender Synths sehr positiv in den vom „Sesamstraßen-Ernie“ trainierten Ohren ein. Im Mittelteil der Platte stellt das neueste Conzoom-Signing mit „The Mirror Song“ unter Beweis, dass es auch die Spielart der dramatischen Electro-Ballade beherrscht und die angenehme Gaststimme von Ema Walter lässt die Hoffnung reifen, „Sinestar“ mögen auf künftigen Veröffentlichungen etwas regelmäßiger den Fuß vom Gaspedal nehmen und zartere Töne anschlagen. Bisweilen stünde dem „Elektro-Power-Pop“ jene Abwechslung gut zu Gesicht, die im letzten Song „Sentinel“ mehr als nur angedeutet wird. In erdiger, ur-britischer Synth-Rock Tradition liefern Iain Brownlie (Vocals), Mark Trueman (Keyboards und Programming), Matt Mohangee (Drums) und James Skuse (Bass) ein sehnsuchtsvollen Schmachtfetzen ab, der Assoziationen mit dem legendären DE/Vision Outro „New Drug“ von der Kult-CD „Monosex“ weckt. Dieses Album „liebe“ ich tatsächlich seit mehr als 17 Jahren, was für „Evolve“ sicher ein etwas zu ambitionierter Richtwert wäre. Deshalb belassen wir es bei der Feststellung, dass „Sinestar“ auf ihrem Debüt vieles richtig machen und die selbstbewusste Promo des Labels keineswegs über das Ziel hinausgeschossen ist. Ein Sonderlob verdient abschließend das Gesamtpaket der physischen Tonträgerveröffentlichung, welches neben der Album-CD aus einer professionell gepressten Bonus-CD mit 11 Versionen von „Fortunes Faded“ und einem umfangreichen Booklet inklusive aller Texte besteht. Persönlich hätte ich eine traditionellere Maxi mit einem Extended Mix und zwei B-Seiten sympathischer gefunden, aber die Liebe zur Musik drückt sich heutzutage eben in eher vielerlei (Remix)-Facetten aus. Von mir aus…