Nina Kernicke bzw. ihr Projekt Allseits haben ganz schön lange auf sich warten lassen. Sechs Jahre nach dem Trip in die nordische Unterwelt namens “Hel” dürfen wir uns nun endlich auf neue Songs freuen. Das aktuelle Album trägt den Titel “Chimäre”, wobei es aber thematisch nicht um das Mischwesen aus der griechischen Mythologie geht, sondern das Wort Chimäre als Metapher für den Menschen steht. Allseits neues Werk handelt von unserer inneren Zerrissenheit, nämlich dem konflikt zwischen dem, was wir sein wollen und dem, was wir sind. Und es steht aufgrund dieser Dualität auch für den Zweifel, der unabdingbar in uns beginnt zu wachsen, wenn diese beiden Welten zu weit auseinander liegen. Wie bereits bei “Hel” setzt Allseits auf einen starken Opener, einen Song, der einen direkt von Anfang an mitnimmt. “Drown” beginnt leise und steigert sich langsam in ein finsteres Crescendo. Zwischendurch gibt es dumpfe, dröhnende Beats, die sich eher nach Eruptionen anhören. Ein Song wie “In The Hills” ist da schon etwas friedfertiger. Mit Gitarren-Drones und Gitarrenklängen pendelt sich der Song in ein mantra-artiges Perpetuum Mobile ein. Aber es geht auch wesentlich düsterer. “October” wird von Trommel- bzw. Paukenschlägen dominiert, die wiederum von düsteren Melodien begleitet werden. Mit seinem stetig gleichen Rhythmus, der durch schräg tönende Klänge und dumpfes Brummen genährt wird sowie mit unheilvoll klingenden Chorgesängen setzt “Sink In Sideways” originelle und zugleich eigenartige Akzente. Zum Schluss wird in “Monster” der Oszillator angeworfen. Brummen, Rauschen und Summen sowie eine fehlende Melodie lassen den Song recht unbestimmt. Dafür sägt er sich konsequent in den Gehörgang, wird mit der Zeit sogar intensiver, nur um dann zum Schluss wieder abzuebben und genauso ruhig aufzuhören, wie er angefangen hat. “Chimäre” ist ein feines und aufregendes Ambient-Album geworden, das Nina Kernicke erneut positive Reputationen einbringen wird. Das nächste Album lässt hoffentlich nicht so lange auf sich warten.