Was wir mit „The Birdwatcher`s Guide to Atrocity” bekommen, ist eine düster-melancholische Sammlung, die - mal verträumt, mal hart aufbäumend - doch einen Funken Hoffnung hinterlässt.

Verträumt melancholisch tritt die klare Stimme des Sängers aus dem dunklen Sound von „The Fates“ hervor und während diese beständig ihr Tempo beibehält und doch an Leidenschaft gewinnt, fordern die Drums immer mehr. „Something is happening, very big and very slow.“ Und so wie dieses geschieht, so wird auch der Tonkulisse mächtiger. „Fates are coming.“ Das Schicksal kommt auf dich zu. „It`s limitless.“ Schreie durchbrechen die Leidenschaft. „A man on fire, man on flames…“ Der Song endet wirr, während die schnellen Drums im nachfolgenden „Go Small“ wieder ihr Spiel beginnen. Verträumte Vocals tragen das Lied. Es ist okay, wenn du dich klein fühlst. „When the world is round in flames… go small.“ Aufbrausend und kraftvoll bündeln sich die Worte. Du bist tausende Meilen rastlos gewandert, hast dir einen Raum geschaffen, um in ihm zu bestehen. „…whisper to your mind…“ Und so wie die Stimme Fahrt aufnimmt, so tut es auch die Elektronik. Wann kannst du wieder du selbst sein? Es folgt der Track „Someday Lily“, der zunächst mäßig dumpf beginnt. Die Wahrheit, die Hand, nach der du dich sehnst – wo ist sie? „Someday Lily, you`ll be you, only you.“ Dein Blick ist leer, doch da ist Hoffnung. Aufbrausend fängt dich der Refrain. „It`ll all come true… Don`t look back.“ Und trotz der Tragik, die der Gesang vermittelt, trägt der Song auch Hoffnung – traumhaft schön eingepackt. „Believe me… this is for the first…“  Der nächste Titel “The Flood Comes for You” beginnt wavig dunkel. Du hörst ein Klopfen, das dich verfolgt. Du hast das Gefühl, dass da etwas lauert, bildest dir ein, du hörst rasselnde Ketten. Du kannst nicht atmen. Die Flut steht bevor und er wird sich mit dir in sie stürzen. „I will sing the whole way down... when the flood comes for you.” Dramatisch steigern sich die Vocals, explodieren fast. Wie Hagel prasseln die Drums auf dich ein. Da sind diese Melodie und die Sirene. Es muss etwas geschehen, damit du nicht untergehst und wieder atmen kannst. Lass dich in „Remember to Breathe“ führen und du hast das Gefühl, als lauschst du indianischen Gesängen, die dich durch ein Ritual heilen wollen. Atme! Du hast es so lange vermisst! Traumhaft schön, beschwingt und sphärisch findest du dich im Song wieder. Aber du traust dich nicht. Vielleicht schreibst du ihr morgen den perfekten Song? „I dare you. Heaven hear me!“ Erst ausrufend, dann wieder melancholisch – der Gesang wühlt auf und letztendlich endet es mit einem tiefen Atemzug. Dann wird es in „End Studies“ dumpf, düster und technoid. Die E-Gitarre trumpft hart auf. Sie spielt „…the symphony that kills…“ Du lebst in deinem Gefängnis. Die marschierenden, bearbeiteten Stimmen erinnern dich daran – an die Endzeit. Auf den harten Aufschlag folgt poppig verträumt wieder „Permanent“ und führt mit Wehmut zurück. Du hüllst dich in den hohen Synth-Wave-Mantel. „Listen to the sand, listen to the ground. There`s always got to be another way out.” Das Schild, deine Schulter – sie und du, ihr seid frei zusammen. Tief erklingen die Töne des Klaviers und schließlich klingt diese Stimme nach einer wütenden Leidenschaft, die nie ausgelebt werden durfte. Man muss so viel ertragen. „…and your heart is full of something…” Das Fieber des anderen Herzens, es schmerzt in dir. Aber der Klang eurer Musik, er ist da, permanent, für immer. Und wenn man doch die Grenze zur Realtiät durchbricht, die Leidenschaft hinauslässt? Es folgt der Titel „Reality is Afraid“. Schnelle Drums und die hohe E-Gitarre sind auch hier das Grundgerüst für den traumgleichen, klaren Gesang. „Something is falling… we hear the rain begin…“ Blechern wirft das Schlagzeug ein. „Darling, we are dangerous!” Sollten wir nicht all das haben, was wir brauchen? Sind unsere Leiber nicht schon erstarrt, wir längst tot? Ist es nicht an der Zeit? „Reality is ringing its hands… It`s breaking… watch it go.” Der Sound wird impulsiv hymnisch. Aber alles bleibt nur eine Möglichkeit. Eine andere ist das in sich selbst Verschwinden. „Learn to Vanish“ folgt dumpf, erzählend, anweisend. Folge der Stimme, die dich auffordert, nur noch zu funktionieren. „Plant a tree. Take a walk.“ So monoton erhältst du die Anweisungen, während Gitarre und Keyboard immer schneller werden. Der Track nimmt eine irre Gestalt an. „Sing a song…. whisper a secret…“ Und dann kommt der letzte Schlag: „Learn to Vanish…“ Aber willst du dich für immer in dir selbst verlieren und nur noch eine gesteuerte Hülle sein? „Celebration Song“ rundet das Album ab – zunächst langsam, rasselnd, mit rollenden Trommelschlägen und dann vollkommen kraftvoll und zuversichtlich, obwohl das Land doch ganz im Nichts versinkt. Da ist dieses Bild, es war an deiner Wand, der Wand deines inneren Tempels. Doch er ist gefallen. Der Winter zieht in das Land und in dich, aber: „But someday the tiger comes back!“ Der aufstrebende Wave-Synth-Sound nimmt dich mit. Steige auf den höchsten Berg! Die Drums triumphieren und das hohe Keyboard tanzt. Es gibt Wunder. Feiere sie mit der hypnotisierenden Flöte und den Dschungel-gleichen Lauten, die dir wirr die letzten Zweifel nehmen wollen.

Nicht tiefschwarz und doch melancholisch, das ist die Musik, die uns mit dieser Neuerscheinung trifft. Traumhaft klar und schön ist die Stimme die uns einfängt und ich finde, man kann ihr ruhig etwas länger lauschen.

 

Artoffact Records

 

21.08.2020

 

https://www.facebook.com/seemingmusic

 

01. The Fates

02. Go Small

03. Someday Lily

04. The Flood Comes for You

05. Remember to Breathe

06. End Studies

07. Permanent

08. Reality is Afraid

09. Learn to Vanish (feat. Bill Drummond)

10. Celebration Song