Ich liebe Rummelsnuff. Seit meiner ersten Begegnung bin ich begeistert vom Konzept und der konsequenten Umsetzung. Roger Bapist und Christian Asbach sind mir so tief sympathisch, auch wenn ich mich weder als Arbeiter, Seefahrtsfan oder Freund körperlicher Ertüchtigung verstehe. Ich sehe hierin aber genau die Qualität, die dieses Projekt in sich trägt: Es steckt unglaublich viel Mühe hinter einer Fassade trashiger Einfachheit. Ja, zunächst überfordern die schrägen Layouts der Alben, Konzertankündigungen oder Homepage und die vollkommen überwältigende zur Schaustellung von halbnackten und muskelbepackten Männern. Und auch die Musik, die erst nach billigster Electrolore mit Hang zu Polka und volkstümlichen Seemannsliedern klingt, muss bewusst und mehrfach gehört werden, damit man erkennen kann, dass da viel Mühe drin steckt. Und die Texte schwanken zwischen augenzwinkernden Wortspielen und ganz viel schmalzigem Herz - vielleicht brauche ich genau so etwas in einer Zeit, in der viel Unsicherheit besteht. Die Figur des Käptn Rummelsnuff ist geschaffen worden, um positiv zu wirken - und das tut sie seit Jahren in unserem Haus. Wir besuchen Konzerte, freuen uns auf Alben und der jährliche Kalender hängt über dem Esstisch. Und noch einmal, wir können eigentlich nichts mit muskelbepackten Körpern anfangen, es ist aber ein schönes Gefühl, den Käptn bei uns zu wissen.
Ich liebe also Rummelsnuff. Liebe ich aber auch das neue Album 'Seeadler'? Denn es ist endlich da, der Nachfolger der 'Äquatortaufe', wenn man einmal von der "Hinterwäldler' Ep absieht. Und genau wie beim Vorgängeralbum brauchte ich einige Durchläufe und muss über mich selbst und meine Haltung zu dem Projekt überdenken. Denn zunächst fielen mir mit "Bohrmilch" und "Loblied" nur zwei Titel wirklich positiv auf und ich war leicht enttäuscht. Aber nein, es ist eben Rummelsnuff und damit inhaltlich weder meine Themen noch so wirklich meine Musik, die ich da konsumiere. Ich brauche Zeit und muss mich mit den Texten und den kleinen Finessen in der Programmierung befassen, um mehr zu vernehmen. Der Käptn begegnet mir und muss mir erst einmal versichern, dass das etwas Gutes ist, was er mir da vorträgt. Und nun, nach vielen Durchläufen bin ich wieder metaphorischen an Bord. Denn der Titeltrack und "St. Pauli" sind schnulzig schöne Liebeserklärungen an das Seemannsleben, "Der Bauch" ist eine herrlich schräge Diät-Verordnung des Eisengottes, "Sohn und Vater" ist eine berührende Neuinterpretation von "Vater", das sich auf dem letzten Album befand. In dieser Version kann ich es nur weiterempfehlen und der Gesang von Eisenkumpel, der das Projekt seit Jahren begleitet, ist so passend ungekünstelt - es ist liebenswert. Und schließlich gibt es noch ein kleines, schräges Lied für den Winter, das bei uns im Dezember sicherlich laufen wird. Herrlich. Zwar scheint 2025 die Seefahrerromantik zu überwiegen, keine Loblieder an die einfachen Schrauber, Heizer, Jungs vom Straßenbau oder der Müllabfuhr, wie in der Vergangenheit und weniger derbe Muskel- und Männeridealisierungen, aber vielleicht hat der Käptn erkannt, dass wir gerade mehr liebe Worte und Sehnsucht benötigen und wer wäre ich, ihm da Unrecht zu geben.
Ich liebe Rummelsnuff weiterhin und bin so froh, dass es Bapist, Asbach, Bernd und Eisenkumpel gibt. Dieser "Qualitätsmüll", wie es die Zeit passenderweise nannte, ist richtig und wichtig. Der Käptn ist da draußen und ich weiß, dass er mich mitnehmen und für mich da sein wird und 'Seeadler' ist vielleicht nicht das stärkste, aber ein weiteres sehr gutes Album. Danke Rummelsnuff.
Rummelsnuff - Seeadler
18.07.2025 / Out of line
https://rummelsnuff.bandcamp.com/album/seeadler
- Bohrmilch
- Seeadler
- Surströmming
- Pumpernickel
- St. Pauli
- Milo Barus
- Der Bauch
- Loblied
- Hormigon
- Sohn und Vater
- Pulverschnee