Rome: Zwei Alben, ein Dezember-Knall: „The Tower“ & „The Hierophant“

Rome Zwei Alben, ein Dezember-Knall...

Viele Bands veröffentlichen im Dezember maximal eine charmante B-Seite oder ein zuckriges Festtagslied. ‘Rome’ hingegen denkt sich: „Warum nicht gleich zwei visionäre Alben mitten in der Plätzchensaison?“ Und so stehen wir am 19. Dezember 2025 plötzlich vor „The Tower“ und „The Hierophant“, zwei Werken, die mit der Selbstverständlichkeit einer Naturgewalt erscheinen. Kein Lametta, kein Kitsch – dafür Klangarchitektur, die eher an mythische Baupläne erinnert als an ein reguläres Release. Frohes Fest, aber bitte mit Haltung.

„The Tower“ erhebt sich dabei nicht als steinerner Koloss, sondern als innerer Monolith, der so minimalistisch glimmt, dass man unwillkürlich selbst leiser wird. Jérôme Reuter zieht hier alles Überflüssige ab und schafft ein radikal reduziertes Folk-Werk, das erstaunlich viel Raum lässt. Es fühlt sich an wie ein meditatives Intervallfasten für die Ohren – streng, klar, aber voller geheimnisvoller Tiefe. Reuters Stimme tritt weniger als Performer auf, sondern als Chronist einer Haltung, die in unserer Dauerbeschallung fast schon rebellisch wirkt. Man ertappt sich dabei, wie man denkt: Dieser Mann könnte sogar den Wetterbericht vortragen und er würde metaphysisch klingen.

Doch während „The Tower“ den Blick nach innen zwingt, öffnet „The Hierophant“ ihn in die Weite – und zwar nicht geografisch, sondern mythologisch. Hier beginnt eine Reise vom geheimen Hafen über dunkle Ufer bis in hyperboräische Grenzbereiche, als hätte jemand die Landkarte unserer inneren Mythen entstaubt. Die Gitarren wirken wie flackernde Fackeln, Streicher murmeln uralte Formeln und spärliche Percussion markiert Schritte in einer Welt, die halb enthüllt, halb verborgen bleibt. Es sind Lieder, die man nicht konsumiert, sondern betritt – wie einen Klangtempel, der erst in der Wiederholung seine Inschriften preisgibt.

Gemeinsam entfalten „The Tower“ und „The Hierophant“ eine hypnotische Geschlossenheit, die selten geworden ist. Kein Eskapismus, sondern Erinnerung an das Wesentliche. Ein Doppelalbum, das eher wie ein geistiges Vermächtnis wirkt – und zugleich wie ein künstlerisches Geschenk an jene, die im Lärm des Jahresends noch hören können, was nicht geschrien wird. Ein würdiger, vielleicht sogar strahlender Abschluss von Rome’s zwanzigjährigem Jubiläumsjahr.

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