Selten konnte eine Live-Scheibe schon Wochen vor dem offiziellen Release derart von sich Reden machen, wie die neue Veröffentlichung der Rolling Stones. Kein TV-Sender, keine Radiostation, keine Zeitung, die nicht in irgendeiner Form von den scheinbar jung gebliebenen Altrockern berichtete, als Mick Jagger und Co. über den roten Teppich der Berlinale liefen, um die einzigartige Zusammenarbeit eines cineastischen Großmeisters mit der vielleicht größten Rockband der Musikgeschichte zu feiern. Martin Scorsese ließ es nicht nehmen und suchte sich für seinen ersten Konzertfilm niemand anderes als eben die Stones, die natürlich nicht nein sagen konnten und ihre gigantische Welttour im Herbst 2006 für zwei sehr intime Konzerte im New Yorker Beacon Theatre unterbrachen. „Shine A Light“ ist das Ergebnis, welches man ab diese Woche in den Lichtspielhäuser der Nation zu sehen und zu hören bekommt. Eine Ecke weiter, im CD-Fachgeschäft, gibt’s dann den kleinen Bruder zu erwerben, den man dann direkt mit nach Hause nehmen und in die heimische Anlage werfen kann. Denn neben den großartigen Bildern, verspricht der Meister auch eine grandiose Tonspur, die einem ein unvergleichliches Audioerlebnis bescheren soll. Soweit die Ankündigungen...von außen sieht die Doppel-CD aber ganz normal aus und die Scheiben sind immer noch rund – Gott sei Dank! Was die Songauswahl betrifft, muss ich kurz stutzen, denn der neueste Song datiert tatsächlich aus dem Jahr 1983. Wahrscheinlich wollen das die Fans auch nicht anders, doch ein wenig Mut zu aktuelleren Material, hätte gut getan. So übel waren die 90er auch wieder nicht. Insgesamt 24 Tracks befinden sich auf den Tonträgern, wobei zwei davon lediglich die Bandvorstellung sowie ein wenig Gerede von Scorsese sind. CD 1 beginnt, mit Ausnahme von „She Was Hot“, tief in den 70er und lädt zu „Jumping Jack Flash“, „All Down The Line“ oder dem zusammen mit Jack White III (White Stripes) intonierten „Loving Cup“ ein. Das alles recht gefällig und mit einem tollen Sound ausgestattet, jedoch noch recht harmlos. Mit „As Tears Go By“ geht’s erstmalig zurück in die 60er, die, wie auch der Rest der CDs zeigt, wohl die beste Dekade der Rocker war. Doch es haben sich noch weitere Gäste angekündigt. Einer von ihnen ist Buddy Guy, der zusammen mit Mick Jagger den Muddy Waters-Hit „Champagne & Reefer“ anstimmt und sein prächtiges Stimmorgan mächtig in Szene setzen kann und Mick fast unter den Tisch singt. Doch das wahre Highlight ist die Band-Vorstellung. Welcher Frontmann kann schon behaupten „On the Guitar and now the Vocals: Keith Richards!!!“? CD 2 beginnt musiktechnisch mit dem vielleicht besten Stones-Song aller Zeiten – „Sympathy For The Devil“ lässt einem zum ersten Mal so etwas wie große Gefühle aufsteigen. Endlich mehr als nur altbackener Rock – dieser ist für die Ewigkeit. Weniger Ewigkeit, dafür umso mehr triste Gegenwart folgt mit „Live With Me“, der mittels eines unnötigen Duetts mit Christina Aguilera verschandelt wird. Wer kam nur auf diese Idee eine trällernde Plastikpuppe neben Mick zu stellen? Dafür hagelt es danach mit „Start Me Up“, „(I Can’t Get No) Satisfaction“ und dem immer wieder großartigen „Paint It Black“ die großen Hits der Rocklegenden. Fazit: Im Endeffekt kann auch Scorsese aus einem Konzert (bzw. zwei – denn immerhin drei Songs entstammen dem ersten der beiden Konzerte) nix anderes machen. Das wird ihm selbst deutlich, als er zugeben muss, dass er Mick Jagger ja nicht in Flammen stecken kann, obwohl er diesen Effekt brauchen würde („Martin Scorsese Intro“). So was nennt man Scheitern an der Realität. Auch ein Meisterregisseur erschafft keinen musikalischen Jungbrunnen, so dass „Shine A Light“ zumindest in der Audio-Form eine wahrlich X-Beliebige Live-Scheibe darstellt. Musikgeschichte wird hier nicht dokumentiert, sondern lediglich ein unterhaltsames Konzert, einer in die Jahre gekommenen Band – nicht mehr und nicht weniger. Aber dennoch wahrhaft empfehlenswert...