Nach einem für mich erstaunlich ruhigen Wochenende kommt dieser Montag wie ein Faustschlag aus einem rostigen Lautsprecher. Kein sanftes Reingleiten in die Woche, keine verträumte Ambient-Kulisse zum ersten Kaffee. Stattdessen: 'Puppe Magnetik' mit 'Emättimen Pornografiatarjous'. Und ehrlich gesagt – ich weiß nicht, ob das der schlimmste oder der beste Wochenstart seit Langem war. Hinter 'Puppe Magnetik' steckt die finnische Musikerin Aina Virtanen, eine klassisch ausgebildete Sängerin und Violinistin, die nach Jahren voller Depression, Isolation und Neuorientierung in einem abgelegenen Haus in Nordfinnland ihr ganz eigenes Monster aus Klang, Schmerz und Spiritualität erschaffen hat. Es ist eine Stunde gnadenloser Selbstsezierung, eine liturgische Klangzeremonie mit viel Blut, Schweiß und Heiligenbildern, die definitiv vermutlich nicht ganz jugendfrei sind.
Schon nach wenigen Minuten merkt man: Hier geht’s nicht um Songs im klassischen Sinn. Das Ganze ist eher wie ein rituelles Theaterstück, bei dem man in der ersten Reihe sitzt und sich fragt, ob das Weihwasser, das einem da ins Gesicht spritzt, eigentlich noch geweiht ist. Mechanische Beats donnern wie Gebetsmühlen in einem brennenden Kloster, während Stimmen und Samples irgendwo zwischen ekstatischem Wimmern und dämonischer Predigt pendelt. Alles klingt roh, ungeschönt, manchmal regelrecht abstoßend – und doch hat das eine seltsam magnetische Schönheit.
Was mich besonders beeindruckt: Das Projekt schafft es hier eine fast körperliche Atmosphäre zu erzeugen. Man spürt, wie die Musik unter der Haut kriecht, wie sie atmet, flackert, schreit. Es ist dieser Moment, in dem man sich ertappt, dass man eigentlich längst abgeschaltet haben sollte, aber trotzdem weiterhört – fasziniert, verwirrt, leicht verstört. Und irgendwo in diesem Chaos liegt eine ungeheure Kraft. Die Stücke wirken wie Gebete für die Entweihung, Litaneien der Lust, Hymnen an den Verfall. Ich musste zwischendurch lachen, weil ich ernsthaft dachte: Wenn die katholische Kirche so klänge, wäre ich vielleicht nie ausgetreten.
Musikalisch bewegt sich 'Emättimen Pornografiatarjous' zwischen rituellem Industrial, sakralem Noise und bizarr schönem Klangtheater. Mal klingt es nach 'Genocide Organ' beim Exorzismus, dann wieder nach einer finnischen Version von Diamanda Galás, die betrunken Gregorianische Choräle aufnimmt. Zwischen all dem Wahnsinn blitzen fragile, beinahe zärtliche Momente auf – kleine Funken Melodie, die aber sofort wieder unter Schichten aus Feedback und metallischem Dröhnen begraben werden. Und ja, der Titel – „Das pornographische Angebot der Vagina“ – ist kein Zufall. Virtanen spielt bewusst mit Grenzüberschreitungen. Sie verbindet Körperlichkeit und Religion, Lust und Schuld, Spiritualität und Zersetzung. Manchmal hat man das Gefühl, sie wolle uns kollektiv beichten lassen – nur, dass sie den Beichtstuhl vorher abgefackelt hat.
Am Ende bleibt 'Emättimen Pornografiatarjous' ein Erlebnis, das man nicht wirklich einordnen kann. Ich war fasziniert, geschockt, beeindruckt – manchmal alles gleichzeitig. Es ist ein Album, das dich aus der Komfortzone zerrt, dir deine eigenen Grenzen zeigt und dich dann lachend zurücklässt. Wer also den Montagmorgen mit einem kleinen Nervenzusammenbruch beginnen will, sollte hier unbedingt reinhören. Für Fans von experimentellem Industrial, religiösem Noise und der dunklen Schönheit des Abseitigen ist 'Puppe Magnetik' eine Offenbarung – unbequem, absurd, verstörend und auf seltsame Weise tröstlich.
Puppe Magnetik - Emättimen Pornografiatarjous

DSTRTD SGNL ehrt Kulttrack: „Sleeper In Metropolis“ neu interpretiert

Wenn in der Szene in diesen Tagen über „Sleeper In Metropolis“ gesprochen wird, dann nicht (nur) wegen Anne Clark – sondern auch wegen eines neuen, erstaunlich frischen Lebenszeichens aus Deutschland. Hinter dem Projekt DSTRTD SGNL stehen Torben Schmidt und Stephan Kessler, zwei erfahrene Klangtüftler, die es sich nicht nehmen ließen, einem der bedeutendsten Dark-Wave-Tracks der 80er-Jahre ein zeitgemäßes Gewand zu verpassen. Ihre Version erschien am 3. Oktober 2025 – und sie klingt, als würde die urbane Dunkelheit des Originals endlich LED-beleuchtet.Ursprünglich entstand „Sleeper In Metropol...
Obey The Pulse - Veil of Shadows – Part II

Manchmal stolpert man bei der täglichen Bandcamp-Recherche über Releases, die eigentlich gar nicht auf der To-Do-Liste standen – und bleibt dann genau dort hängen, wo man es am wenigsten erwartet. So erging es mir mit 'Veil Of Shadows – Part II' von 'Obey The Pulse'. Ein Klick, ein kurzer Höreindruck, und schon war’s vorbei mit dem Plan, nur mal eben durchzuscrollen. Und schwupps, eine Stunde weg – das Abendessen im Ofen natürlich längst kalt. Aber egal, für so etwas darf man hängen bleiben. Denn was die Berliner Formation hier abliefert, saugt einen binnen Sekunden in ihre nächtlich flirrende...