Alles kommt zu dem von selbst, der warten kann, sagt der Volksmund... oder "Was lange währt, wird endlich gut"... oder auch "Gut Ding will haben Weile", oder auch - egal: In manchen Situationen hilft es, sich derartiger Weisheiten zu erinnern. Gut drei Jahre sind nämlich mittlerweile schon wieder verstrichen seit der Veröffentlichung von "Industrielle Hypnose", dem durchaus beeindruckenden Debüt von POLARLICHT 4.1, und trotz verschiedener Vorab-Ankündigungen schien der Weg zum Nachfolger länger gewesen zu sein, als wohl im Vorfeld abzuschätzen war. Nicht, daß PL-Mastermind Ronny Jaschinski in der Zwischenzeit geschlafen hätte - ganz offensichtlich waren die letzten beiden Jahre eher dem Aufbau und der Etablierung von Zone 30 Records als Label und verschiedenen Festival-Aktivitäten unter anderem auf dem Maschinenfest oder im Rahmen des "hauseigenen" Schachtfrequenz - Events gewidmet, ist die Arbeit am eigenen musikalischen Tun darob etwas ins Hintertreffen geraten... Nun aber ist die Zeit des Wartens vorbei, und statt einer erfreuen den geneigten Hörer gleich zwei Full-Length - CDs, die im edlen, streng limitierten Box-Set oder im Doppel-Digipack per Mailorder im heimischen Briefkasten landen... Der erste Silberling ist dabei das zweite, sinnigerweise "Drittklangträger" betitelte Werk von POLARLICHT 4.1, und schon an diesem wird klar: Das Warten hat sich gelohnt, das Projekt sich aber in den letzten Jahren durchaus hörbar weiterentwickelt, was dem Sound im Ganzen keinesfalls Abbruch tut. Möglich, daß durch den stampfenden, für Polarlicht-Verhältnisse erstaunlich EBM-lastigen Opener "Polarluft_reworked" ein falscher Eindruck entstehen könnte hinsichtlich dessen, was in der nächsten reichlichen Stunde auf der CD so passiert. Danach zeigt sich aber: In gewisser Weise ist PL4.1 dem ureigenen Stil treu geblieben, harsche, kalte Elektronik mit treibenden Rhythmen und vielschichtigen, abwechslungsreichen, kopfhörerbedürftigen Klangbasteleien zu verbinden, die das Album auch nach mehreren Durchläufen unverändert hörenswert erscheinen lassen. Zum anderen muß vermerkt werden: In vieler Hinsicht wirken PL 4.1 im Jahre 2006 deutlich düsterer, beklemmender, aggressiver als auf dem Debüt, was vermutlich zu gleichen Teilen aus Song-Titeln wie "Destroyed India", "Reaktor Control" oder "Stars and Strikes" und der insgesamt verwendeten Bandbreite an Geräuschen, Klang-Collagen und Samples liegen dürfte, die den Tracks akustische Tiefe und dem Album insgesamt Atmosphäre verleihen. Apropos "Stars and Strikes": Sowohl der Titel (wie auch einige andere auf dem Album) als auch die eingebauten Sprach-Elemente geben dem Stück eine ausgesprochen politische Prägung, was aber dem Werk äußerst positiv zu Gesicht steht, den Wunsch nach Songs mit Texten weckt, um mehr über die Gedanken zu erfahren, die hinter den harten Tönen stecken. Alles in allem ist "Drittklangträger" ein Zweitwerk, wie man es wohl kaum besser machen könnte. Das als Bonus beigefügte Video zu "Klangrausch", bestehend aus optischen Collagen und Aufnahmen vom PL4.1 - Auftritt auf dem WGT 2004, rundet den insgesamt sehr guten Eindruck ab. Und dann ist da ja auch noch die zweite CD im Pack ist, namentlich "Metronom", die erste Lautmeldung des PL4.1 - Sideprojects TRANSISTOR. Rein musikalisch könnte der Kontrast kaum größer sein - irgendwo zwischen frühen Tangerine Dream, Projekten wie Terminal Sound System und den ureigenen PL4.1-Klangwelten lebt der ruhige, inspirierte, atmosphärische Ambient-Sound dieses Werks, entwickelt die Musik als Soundtrack im Kopf einen Film über wahrhaft unendliche Weiten, interstellare Reisen, Sonnenstürme und wagemutige Männer, die sich in fragilen Konstruktionen mit hoher Geschwindigkeit in das ungewisse Nichts jenseits unserer Atmosphäre katapultieren lassen, bereit, neue Einsichten zu finden, oder aber den Spuren von Major Tom zu folgen, auf dem Weg nach Nirgendwo. Gar keine Frage, "Metronom" ist Space-Elektronik vom Allerfeinsten, kreativ, ausgefeilt und, technisch wie akustisch, absolut auf der Höhe der Zeit - so ähnlich würde wohl die Berliner Schule klingen, hätten ihre ersten musikalischen Schritte ein paar Jahrzehnte später stattgefunden. Daneben ist "Metronom" vor allem auch eine weitere wunderbare Kopfhörer-Scheibe, mit der man, festhaltend an vertrauten Rhythmen und vereinzelten milden Synthie-Flächen, sich auf einem Trip in fremdartige akustische Dimensionen wahrhaft fallenlassen kann - digitale Meditationsmusik, wenn man so will. Alles in allem bleibt nach reichlich zwei Stunden die definitive Erkenntnis, daß sich das Warten vollends gelohnt hat: Der Doppelpack bietet interessierten Ohren reichlich experimentelle, schräge, eigenwillige, inspirierte Elektronik, kommt in liebevoller Aufmachung und kann auf ganzer Länge überzeugen. Schade eigentlich nur, daß das Teil bislang nur via Mailorder verfügbar ist, aber das sollte Industrial- gleichwie auch Ambient-Fans mit offenem Ohr und Interesse an Neuem nicht abhalten. Falschmachen kann man mit diesem Album eigentlich nichts; ich bin gespannt, wie das Live-Programm anno 2006 dazu aussehen wird. Höchstwertung, absolut gerechtfertigt.