Ziemlich genau 11 Jahre nach dem ersten Aufrtitt von Stefan Olsdahl, Steve Hewitt & Brian Molko hält ihr Placebo-Effekt unvermindert an. Vollends verspannt erwarten Dreamteens & recycled Children der Middle Youth nun wieder das all ihre Schmerzen nach Einnahme des inzwischen 5ten Longplayers gelindert werden. Die Heilungschancen sind phantastisch, für all jene die sich an wunderbar melancholischen Tracks voll von krankhafter Angst vor dem Erwachsenwerden & herrlich kompromisslosem Retro-Progressive-Rock laben können. Die elektronischen Einfärbungen der letzten Auskopplung wurden dezent zurück genommen, textlich wie musikalisch befindet man sich wieder zwischen Refernzen wie "Commercial For Levi" & "The Bitter End". Letztlich zuviele Optionen zwischen Indie, Brit-, Dark- & halt dem normalem Pop. Die britischen Inseln wurden gegen das spätsommerliche Südfrankreich getauscht & Produzent Jim Abbiss (u.a. Björk, Ladytron) gegen Dimitri Tikovoi (u.a. Guesch Patti, John Cale) ausgewechselt. Damit das Ganze dann doch nicht zu boho-frankophil erscheint & sich das enorm Hype-anfällige London endlich mal mit mehr als nur den Äußerlichkeiten vom Frontmann beschäftigt, pimpte das britische Produzentenurgestein The Flood (u.a. Smashing Pumpkins, Depeche Mode...) beim Feinschliff nochmal alles zurück in Richtung Zukunft. Wahrscheinlich ist der Umstand, das Millionenseller-Prophet Molko im eigenen Lande bisher wenig galt, auch dafür verantwortlich das UK nun eine andere Singleauskopplung als der Rest des Universums verdient hat. Hier rockt zuerst das ungewohnt gefällig treibende, sich stetig jammernd wiederholende "Because I Want You" & sein catchy Bloc Party-Remix. Wir indes lehnen uns zurück & lassen uns in einen Schwebezustand zwischen beklemmender Erkenntnis & unendlich gelassener Entscheidungskraft versetzen. "Song To Say Goodbye" schickt sich mit angetäuschtem Midtempo & genialem Chorus an, eines der besten Tracks ever von Placebo zu werden... Es vermittelt eine Abkehr vom infantilisierten Quarterlife-Crisis-Typen, der sich mal einfach so durchs Leben poppt & bildet den perfekten Abschluß eines glänzenden Albums. Inwieweit dieses Statement gegen kuschelig aufregende Lebensplanlosigkeit authentisch autobiographische Züge trägt, vermag ich natürlich nicht vorhersagen. Eines aber mit Sicherheit, der Weg zu dieser neuen Ernsthaftigkeit war ein steiniger & alle anderen Tracks beinhalten wieder all das liebgeworden düster Romantische - was ganz normale Menschen so tierisch nervt. "You are one of God's mistakes". Zurück zum Anfang & lasst uns uns weiterquälen in dem Desaster, welches da noch immer Leben heißt... Kennt hier jemand eigentlich diesen überdurchschnittlich intelligenten Kidnapping-Thriller "24 Stunden Angst" von Luis Mandoki? Charlize Theron erinnert dort Kevin Bacon, wie es Frauen halt auf ihre mütterlich besorgte Art tun - Denk an deine Medizin! Im Opener & Titeltrack "Meds" schlüpft nun Alison Mosshart aka VV von "The Kills" in die Rolle der Karen & mahnt lasziv zur bitteren Pille im Duett. Was für ein Knaller, der sich da nach hektisch nervösem Gitarrengeschrammel a la "Every You Every Me" entwickelt & was für ein Blick in den Medizinkasten aller Peter-Pan-Syndrom behafteten & ohne Lifestyle-Drogen nicht mehr Funktionierenden. Endorphine satt! Von jetzt ab gibt es wieder die gesamte Palette an Storys über Niederlagen im beiderseitigen Geschlechterkampf, zerkratzten Glam-Pailietten, Upper, Downer, Verlusten & Abhängigkeiten. Wir glauben doch nichts mehr, und weil wir nichts mehr glauben, glauben wir fast jeden Mist. Wir gehen mit jeder Mode mit & drehen uns doch nur im Kreis. Immer wieder nur Papas Kreditkarte, Manga's, Playstation, laute Musik, künstlich zerschlissene Jeans... Die überwiegend ruhigen, fast selbsthasserfüllten Stücke des Albums wissen zu faszinieren & helfen vielleicht auch beim erwachsen werden. Auch wenn Placebo längst solchen Hypes wie den Arctic Monkeys, den Babyshambles & der ganzen New-Brit-Wave eine lange Nase zeigen kann, deren Politikverdrossenheit & erfolgreich vermarktete Sozialkritik sucht man auf diesem Album vergebens. Ein neuerliches "Spite & Malice" wäre wohl doch kein glaubhafter Selbstzünder mehr, neben 3 ausgewachsenen Guys in feinem schwarzen Designerzwirn. Dafür schenken sie uns melancholischste & ausgefeilte Balladen wie "Follow The Cops Back Home" & "Pierrot The Clown", liefern eingängig melodisch Tracks wie "Post Blue" & "Infra-Red" mit sehr viel Noisebackground + Wiedererkennungswerten zu geliebten Vorgängern ab. Mit "Space Monkey" verjagen sie Robert Smith aus dem Elfenbeinturm der düsteren Wiegenlieder..."and don’t don’t dont let me down". Es herrscht ein ständiger Wechsel zwischen sachten Intro's & derben Gitarrenriffs, dezenten Syhntie-Nuancierungen & fetten Drums. Und es gibt ein altes Piano, jenes leitet auch eines der sperrigsten Lieder des Albums ein. "Broken Promise" ist das vokale Kräftemessen mit Mister "R.E.M." & weder Micheal Stipe noch Molko stecken hier zurück. Ach gäbe es doch noch diese 12inch Singels - dann könnte man den Beiden sicher 3mal so lang mit feuchten Augen zuhören. Versprochen! Es passt ja gemeinhin nicht in die Kultur der Coolness einen Track mit erhobenem Zeigefinger über Drogen zu machen, doch "In The Cold Light Of Day" ist da ja nicht der erste dieser Art von Placebo. Ausnüchterung ist jetzt angesagt, die klingt fast so als wären die frühen Massive Attack an Narkolepsie erkrankt, angereichert mit Akustikgitarren. Selten hat das Thema so unpeinlich geklungen. Man kann sich einfach keine gelungenere musikalische Umsetzung hiervon vorstellen. Alles in allem - schon wieder mal das beste Album von Placebo. Prächtig auch das sie endlich mal zum Punkt kommen, auf CD, Vinyl oder dem wie immer opulenten Japan-Output. Empfehlen muss ich aber noch die 2 Casebox-Versionen, egal ob limitiert oder brilliant. Die machen auf Value for Money & enthalten neben Demoversionen vom Album, Videos der ausverkauften Wembley-Show & mit "The Cure" noch eine Documentary von Ewen Bremner (u.a. Trainspotting, Black Hawk Dawn) als Einstieg in die polarisierende Welt dieser Band.