Pink Floyd - Wish You Were Here (50th Anniversary)

Pink Floyd - Wish You...

Wenn man über 'Pink Floyd' und speziell über 'Wish You Were Here' schreibt, bewegt man sich auf einem Terrain, auf dem eigentlich schon alles gesagt wurde – nur eben noch nicht von jedem. Dieses Album ist längst kein normales Werk mehr, sondern Denkmal, Reliquie und kollektiver Besitzstand. Man spricht darüber mit leicht gesenkter Stimme, nickt verständnisvoll und ist sich einig: Ja, das ist wichtig. Und ja, das bleibt wichtig. Genau deshalb ist jede neue Jubiläumsausgabe automatisch verdächtig. Denn wenn etwas seit Jahrzehnten als vollkommen gilt, stellt sich bei der 30., 40. oder eben 50. Wiederveröffentlichung zwangsläufig die Frage: Geht es hier noch um inhaltlichen Mehrwert – oder längst nur noch um Kalenderarithmetik, Sammlertrieb und Zahlungsbereitschaft?

Zur Erinnerung: 'Wish You Were Here' entstand 1975 in einer Phase maximaler innerer Reibung. Nach dem gigantischen Erfolg von 'The Dark Side Of The Moon' war die Band äußerlich auf dem Zenit, innerlich jedoch bemerkenswert orientierungslos. Das Musikgeschäft wirkte zunehmend kalt, anonym und entmenschlicht, während der Verlust von 'Syd Barrett' wie ein unausgesprochener Schatten über allem lag. Genau diese Entfremdung hört man dem Album bis heute an – und genau deshalb funktioniert es immer noch so gut. Musikalisch ist das kein Auftrumpfen, kein Prog-Zirkus, sondern eine meisterhafte Übung in Zurückhaltung. Viel Raum, viel Luft, jede Note mit Bedeutung. Nichts drängelt sich nach vorne, nichts schreit „Schaut her, wie gut wir sind“. Und gerade deshalb bleibt es so eindringlich.

An der Musik selbst gibt es nichts zu diskutieren. Gar nichts. Sie ist zeitlos, emotional, klug arrangiert und in ihrer Mischung aus Wärme und kühler Distanz bis heute unerreicht. Auch klanglich war das Original bereits auf sehr hohem Niveau – und genau hier beginnt das strukturelle Problem der 50th-Anniversary-Ausgaben. Denn wenn etwas schon exzellent klingt, wird „noch ein bisschen besser“ schnell zu „kaum wahrnehmbar anders“. Die originale Stereo-Version bleibt für viele Hörer weiterhin der Maßstab. Alles andere ist Variation, nicht Revolution.

Die 2-CD-Ausgabe von 'Wish You Were Here (50th Anniversary)' ergänzt das Originalalbum um eine Bonus-CD mit Studio-Raritäten, Demos und alternativen Versionen. Auf dem Papier klingt das zunächst verlockend. In der Praxis fragen sich jedoch viele langjährige Hörer – nicht ganz zu Unrecht –, warum sie dieses Paket nun ebenfalls im Regal stehen haben. Wirklich Neues hört man hier nach subjektivem Eindruck kaum. Vieles existiert in ähnlicher Form bereits seit Jahren, manches zirkulierte längst im erweiterten Fan-Kosmos. Der Mehrwert ist daher eher dokumentarisch als zwingend. Der vielzitierte Dolby-Atmos-Mix, der auf anderen Formaten angeboten wird, ist modern, räumlich und technisch sauber umgesetzt, wirkt aber eher wie ein zeitgemäßes Zusatzfeature als wie eine notwendige Neubewertung. Nett zu haben, ja – unverzichtbar, eher nicht.

Besonders irritierend ist jedoch die Präsentation, vor allem bei der 2-CD-Ausgabe. Denn hier sprechen wir offiziell von einer 50th-Anniversary-Edition eines der bedeutendsten Alben der Rockgeschichte. Geliefert wird ein schlichter Pappschuber mit einem Beiheft, das inhaltlich auffallend dünn ausfällt. Kaum Hintergrundinformationen und nur wenig Einordnung im Vergleich zu anderen Jubiläumseditionen, die in den letzten Jahren gezeigt haben, wie liebevoll und informativ man musikalische Meilensteine würdigen kann. Für ein Album dieses Ranges wirkt das eher pflichtbewusst als feierlich – und damit leider unter seinen Möglichkeiten.

Vinyl-Fans bekommen zwar reichlich Auswahl, doch auch hier ist nicht alles Gold, was auf schwerem Vinyl glänzt. Ob 3-LP-Edition auf 180 Gramm, die einzelne LP auf Yellow Flame Vinyl oder gleich die große 4-LP-Deluxe-Box inklusive Blu-ray – optisch macht das alles zunächst eine sehr gute Figur. Die Cover sind hervorragend gedruckt, die Aufmachung wirkt wertig, fast schon luxuriös. Beim Hören relativiert sich dieser Eindruck jedoch teilweise. So hört man in einzelnen Käuferberichten von Knacken, Knistern und Nebengeräuschen, die selbst nach gründlicher Plattenwäsche nicht vollständig verschwinden wollen. Hinzu kommt die Frage, warum man in dieser Preiskategorie weiterhin auf ungefütterte Innenhüllen setzt – ein Detail, das man eher bei Budget-Pressungen verzeiht als bei hochpreisigen Jubiläumseditionen. Vereinzelt melden Käufer laut Rückmeldungen zudem Passprobleme am Mittelloch, was das Ganze unfreiwillig in Richtung „Schallplatten-Nachbearbeitung für Fortgeschrittene“ rückt. Besonders ärgerlich ist das deshalb, weil das klangliche Potenzial dieser Pressungen unbestritten ist: Das Mastering liefert einen satten, druckvollen, klaren und räumlichen Sound – vorausgesetzt, man erwischt eine saubere Pressung, verfügt über entsprechendes Equipment und bringt ein gewisses Maß an Gelassenheit mit.

Natürlich gibt es auch die andere Seite. Entweder man ist Fan – oder eben nicht. Wer Fan ist, will alles: Demos, Skizzen, Studioreste, alternative Fassungen. Die komplette Geschichte, inklusive aller Fußnoten und Randbemerkungen. In diesem Sinne erfüllt die Jubiläumsausgabe durchaus ihren Zweck. Die unveröffentlichten oder neu zusammengestellten Instrumentalpassagen sind spannend, teilweise sogar faszinierend, gerade im direkten Vergleich mit dem finalen Album. Als historisches Dokument haben sie ihren Wert. Als zwingender Kaufgrund funktionieren sie jedoch vor allem dann, wenn man ganz bewusst auf Vollständigkeit sammelt – und bereit ist, dafür auch Kompromisse einzugehen.

Unterm Strich bleibt ein deutlich ambivalentes Fazit. 'Wish You Were Here' selbst ist über jeden Zweifel erhaben. Dieses Album braucht keine Jubiläumsausgabe, um relevant zu bleiben. Die 50th-Anniversary-Editionen hingegen richten sich klar an Komplettisten, Sammler und sehr treue Fans. Wer Freude daran hat, Archive zu durchforsten und Nuancen zu vergleichen, wird hier fündig. Wer hingegen auf echten Mehrwert, neue Erkenntnisse oder die definitive Version hofft, sollte ehrlich zu sich selbst sein. Vieles davon hat man als langjähriger Sammler längst. Und manches hätte man – nüchtern betrachtet – vielleicht auch einfach nicht gebraucht. Oder anders gesagt: Manchmal ist ein Klassiker nicht deshalb groß, weil man ihn immer wieder neu verpackt, sondern weil er auch nach 50 Jahren ganz ohne Jubiläum immer noch alles sagt.

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