Pet Shop Boys - Disco 5

Pet Shop Boys - Disco...

Nun, es ist schon fast ironisch, dass ausgerechnet die Pet Shop Boys – zwei Künstler, die seit den frühen 80ern konsequent darauf achten, nie zur eigenen Karikatur zu werden – es wagen, einen weiteren Teil ihrer Remix-Saga zu veröffentlichen. Eine Reihe, die längst pophistorischer Bestandteil ist wie britischer Sarkasmus, Tennants nasal-philosophische Vocals oder Chris Lowes Kunst, mit unbewegter Miene ganze Hallen in Euphorie zu versetzen. Seit ihrer Gründung 1981 haben eben diese beiden Neil Tennant und Chris Lowe nicht nur Synthpop definiert, sondern ihn auch gelehrt, sich elegant weiterzuentwickeln: von Hi-NRG-Anfängen über orchestrale Extravaganzen bis zu ihren jüngeren, clubaffinen Arbeiten. Und immer wieder diese Mischung aus Gefühl und Glasarchitektur, Ironie und Ernst.

Ihre ‘Disco’-Reihe war stets ihr kleines Labor: eine Spielwiese, eine neutrale Zone abseits der regulären Alben. Hier konnten sich Remixes entfalten, hier zeigte sich, wie sehr die beiden Musiker auch als Arrangeure anderer Künstler funktionieren. Nach ‘Disco 4’ hatte ich kaum noch damit gerechnet, dass die Reihe fortgesetzt wird – viele Fans hatten sich damit abgefunden, dass die vier Kapitel abgeschlossen sind. Und nun, wie aus heiterem Himmel, erscheint tatsächlich ‘Disco 5’. Manche nennen es ein Geschenk, manche ein Wunder, manche ein Marketing-Gimmick… und manche – vor allem im Internet – einfach „okay“. Eine Reaktion, die man den Pet Shop Boys gegenüber schon sehr lange nicht mehr gehört hat. ‘Disco 5’ ist ein Album, das wie eine Spiegelung der Gegenwart wirkt: klar, sauber produziert, mit warmen Synthflächen, sanften House-Elementen und einem Diskurshauch, der an ‘Introspective’ erinnert, ohne sich nostalgisch anzubiedern. Man spürt sofort, dass die beiden Herren längst wissen, was sie tun. Diese Selbstverständlichkeit zieht sich wie ein Leitmotiv durch das gesamte Album. Die Remixe – mehrheitlich von Songs anderer Künstler – fließen mühelos ineinander, ohne den Versuch, das Rad neu zu erfinden. Und das ist gleichzeitig Stärke und Schwäche.

Hier zeigt sich auch die geteilte Resonanz der Öffentlichkeit: Während einige Hörer die stilistische Eleganz und die souveräne Klangformung loben, stoßen andere sich daran, dass vieles nicht wirklich neu klingt. Tatsächlich merkt man, dass viele Remixe bereits früher separat veröffentlicht wurden – was die Compilation für Sammler bereichernd macht, für Sucher nach radikaler Kreativität allerdings weniger. In Fanforen wurde das Album als „klassisch solide, aber nicht aufregend“ beschrieben – als würde man in ein Restaurant gehen, das seit Jahren gleich kocht: niemals schlecht, aber auch selten überraschend. Ein anderer Kommentar brachte es schön auf den Punkt: „It’s okay, just underwhelming.“ Nun, wenn das bei den Pet Shop Boys das Schlimmste ist, was man findet, dann steht es wohl trotzdem nicht schlecht um sie.

Persönlich empfinde ich ‘Disco 5’ als angenehm zu hören – es ist ein Album, das sich nicht aufdrängt, aber auch nicht gleichgültig bleibt. Es hat diesen speziellen PSB-Charakter: eine gewisse stoische Coolness, die sich langsam, aber sicher in den Gehörgängen festsetzt. Die Beats sind druckvoll genug, dass man merkt, wie sehr die Clubtradition weiterhin in der DNA der Band steckt, aber nie so aggressiv, dass sie die elegante Melancholie überlagern. Es ist das Äquivalent zu einem Abend in einer Lounge-Bar, in der sich die Beleuchtung nicht entscheidet, ob sie warm oder kühl sein will – und genau deshalb funktioniert sie hervorragend. Natürlich wird nicht jeder damit glücklich werden. Wer von ‘Disco 5’ ehrgeizige Transformationskunst oder glitzernd-waghalsige Experimente erwartet hatte, wird vielleicht eher die Stirn runzeln. Es ist keine Revolution – vielleicht nicht einmal eine kleine Evolution. Dafür ist es ein ausgesprochen Pet-Shop-Boys-iges Album: selbstbewusst, stilpräzise, clever zusammengestellt und voller Respekt gegenüber der eigenen Geschichte. Und ja, ein bisschen wirkt es auch wie ein Füllhorn für Sammler, ein finaler Staubwedel über die Remix-Werke der letzten Jahre.

Wer sollte ‘Disco 5’ also hören? Ganz klar: Fans, die seit Jahrzehnten treu an der Seite der Band stehen, und all jene, die eine Vorliebe für gut dosierte Clubästhetik haben. Es ist ein Release für Menschen, die nicht ständig auf der Suche nach dem nächsten großen Knall sind, sondern die das Verlässliche, das Stimmige und das kultiviert Unaufgeregte zu schätzen wissen. Wer dagegen nur dann Freude empfindet, wenn eine Band sich selbst komplett neu erfindet, oder wer auf musikalische Extremsportarten wartet, der wird vermutlich schon beim zweiten Track denken: „Das war’s?“.

Aber seien wir ehrlich: Wenn es eine Band gibt, die seit über 40 Jahren mit stoischer Gelassenheit und klarem Stilgefühl durch sämtliche Moden, Trends und Geschmacksbrüche navigiert ist, dann sind es Neil und Chris. Und ‘Disco 5’ ist genau das: ein weiteres elegantes Kapitel, das niemand verlangt hat, aber das – wie so oft bei den Pet Shop Boys – irgendwie genau im richtigen Moment gekommen ist.

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