Es gibt Songs, die altern so würdevoll wie guter Whiskey – und dann gibt es „Insomnia“. Am 27. November 1995 kam die Faithless-Single in die Welt, damals in einer Zeit, in der man im Internet noch pro Minute bezahlte, die Antenne beim Handy größer war als das Display und Eurodance mit maximaler BPM-Zahl versuchte, die Republik wachzuhalten. Und dann tauchte plötzlich dieses britische Trio auf, schenkte uns einen Track ohne Refrain, ohne klassischen Songaufbau – und trotzdem (oder genau deshalb) mit einer Durchschlagskraft, welcher die Clubs, Radiostationen und Wohnzimmer gleichermaßen umprogrammierte.
Wenn man ehrlich ist: Niemand war darauf vorbereitet. Die tiefe, ruhige, fast meditative Stimme von Maxi Jazz, die ikonische Zeile „I can’t get no sleep“, der nervös pumpende Basslauf, der sich langsam, sehr langsam aufbaut, bis die Kick irgendwann einsetzt wie ein verspäteter ICE – das war 1995 nichts weniger als eine kleine Revolution. Während in Europa noch die letzten großen Eurodance-Schlachten geschlagen wurden und Big Beat langsam anrollte, setzten Faithless einen ganz eigenen Akzent: düster, atmosphärisch, nachdenklich und doch absolut clubtauglich.
Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: „Insomnia“ kletterte nach dem Re-Release 1996 bis auf Platz 3 der UK-Charts, etablierte sich europaweit in den Top 10 und verhalf dem Debütalbum „Reverence“ zu millionenfachen Verkäufen. Und spätestens als DJs rund um den Globus merkten, dass dieses Ding – trotz seines ungewöhnlich späten Drops – ganze Hallen zum Kochen brachte, war der Klassikerstatus zementiert. Was „Insomnia“ aber wirklich einzigartig macht, ist nicht nur sein Erfolg, sondern seine Langlebigkeit. Der Track wurde immer wieder neu interpretiert – ob in Form von „Insomnia 2005“, Neuauflagen, Edits oder Remixes – und verlor nie seinen Biss. Dass Maxi Jazz 2022 verstorben ist, verleiht dem Song heute zusätzlich eine melancholische Note: Jeder Einsatz seiner Stimme erinnert nun auch an einen Künstler, der der elektronischen Musik etwas zutiefst Menschliches geschenkt hat.
Wenn ich den Track heute höre, 30 Jahre später, fühle ich mich wieder in jene verrauchte Clubnacht zurückversetzt, in der die Synths einzusetzen scheinen, bevor man sie überhaupt hört. Und selbst Menschen, die mit elektronischer Musik sonst wenig am Hut hatten, bekennen: Genau dieser Song hat eine Tür geöffnet. Vielleicht, weil er zeigt, wie emotional, verletzlich und erzählerisch Clubmusik sein kann. Vielleicht aber auch, weil er uns daran erinnert, wie sich ein Moment anfühlt, der größer ist als seine eigene Zeit. Und ja, ich ertappe mich bis heute dabei, wie mein Fuß beim ersten Ton automatisch zuckt. Reflexe sterben eben nie. „Insomnia“ hat die 90er geprägt, die 2000er getragen, die 2010er überlebt und steht 2025 immer noch in Festival-Primetime-Slots. Offensichtlich ist Schlaflosigkeit manchmal einfach die bessere Option.
Medienkonverter.de
Ein Klassiker ist 30: Warum Faithless’ „Insomnia“ noch immer elektrisiert
Pet Shop Boys - Disco 5
Nun, es ist schon fast ironisch, dass ausgerechnet die Pet Shop Boys – zwei Künstler, die seit den frühen 80ern konsequent darauf achten, nie zur eigenen Karikatur zu werden – es wagen, einen weiteren Teil ihrer Remix-Saga zu veröffentlichen. Eine Reihe, die längst pophistorischer Bestandteil ist wie britischer Sarkasmus, Tennants nasal-philosophische Vocals oder Chris Lowes Kunst, mit unbewegter Miene ganze Hallen in Euphorie zu versetzen. Seit ihrer Gründung 1981 haben eben diese beiden Neil Tennant und Chris Lowe nicht nur Synthpop definiert, sondern ihn auch gelehrt, sich elegant weiterzue...