Die britische Band Nitzer Ebb ist zweifellos eine der prägenden Bands der Electronic Body Music. Was die Düsseldorfer Bands D.A.F. und Die Krupps angeleiert haben, wurde durch das Duo perfektioniert. Für eine Zusammenfassung ihrer Karriere ist hier definitiv kein Platz, erwähnt sei nur, dass das letzte offizielle Album „Big Hit“ 1995 erschienen ist. Danach gab es immer wieder mal Remix-Singles und Compilations, bevor dann 2006 die ersten frischen Lebenszeichen auszumachen waren. Sänger Douglas McCarthy veröffentlichte zwei Alben mit Terence Fixmer, es gab verschiedene Zusammenarbeiten und dann auch erste Liveauftritte mit Nitzer Ebb. Bon Harris hatte sein Project Maven und war in der Zwischenzeit als Produzent namhafter Bands tätig und hat diese Rolle auch bei „Industrial Complex“ übernommen. Los geht es ohne lange zu Fackeln mit „Promises“. Genau wie „Payroll“ schon bekannt durch die Veröffentlichung auf Compilations und von Konzerten der Briten. Beide Songs sind dreckig und gehören zu den härteren auf „Industrial Complex“.
Aber die Höhepunkte sind die neuen, teilweise auch ruhigen, bzw. verschachtelten Songs. Die Alben mit Terence Fixmer haben nach meinem Dafürhalten Douglas gesanglich einen weiteren Schritt nach vorne gebracht, was zum Beispiel bei „Hit You Back“ deutlich wird und ein wesentlicher Punkt ist, in dem sich NEP von den zahlreichen Epigonen abgrenzen kann. Aber auch ein Track wie „Down On Your Knees“ verdeutlicht, warum Nitzer Ebb mindestens eine Liga über allen „neuen“ Oldschool-Bands spielen. Nicht nur hier werden Erinnerungen an die guten Seiten von „Showtime“ oder „Ebbhead“ wach. Ein weiteres Beispiel ist „Kiss Kiss Bang Bang“, hier bekommt ein typischer EBM-Stomper durch einen simplen Sound ein Western-Feeling mit auf den Weg. Da kann man dann auch mal über den dämlichen Namen hinweg sehen. Endlich gibt es wieder eine Platte, die mehrere dieser Momente liefert, bei denen man statt zu tanzen eigentlich nur auf die Knie fallen will. Beim umwerfenden „Never Know“ zum Beispiel, wenn Douglas McCarthy singt „I came 2.000 miles for just one of your smiles“. Einfach großartig. Gemein nur, dass diese Stelle nicht wiederholt wird, aber das kennen wir ja von großen Momenten. Ich denke da zum Beispiel an „Virus“ von FLA. Meiner Meinung nach schaffen die Urgesteine das, was sich alle bei einem Comeback erträumen.
Alle zwölf Song sind voll mit Zitaten alter Nitzer Ebb Stücke. Die harten Sequenzen der Anfangstage, catchy Refrains wie aufgeführt, Intensität wie früher bei „Come Alive“ usw. Und dazu klingen alle Songs frisch und insbesondere der Gesang von Douglas McCarthy hat sich wie schon gesagt weiter verbessert. Gerade für die ruhigeren Tracks waren die zwei Alben mit Terence Fixmer offensichtlich gut für das Selbstbewusstsein. Und das intensive „Going Away“ oder „I Am Undone“ dürfte auch Fans von Depeche Mode Gänsehaut auf den Rücken zaubern. Womit wir bei den Bonus-CDs wären. Mir liegt die Tour Edition vor, offiziell kommt „Industrial Complex“ in zwei Versionen mit jeweils einer Remix-CD. Major bietet dabei eine illustre Schar auf. Mit Alan Wilder wurde natürlich ein Kracher gewonnen, der wie damals bei „As Is“ jetzt „I Am Undone“ veredelt.
Die Alfa-Matrix Version kommt mit fünf Bearbeitungen von „Once You Say“ daher. Neben den Labelacts Komor Kommando, Leaether Strip (gibt es da draußen überhaupt noch eine Band ohne aktuellen AE-Remix?), Essence Of Mind und Implant, kündigt eine weitere EBM-Legende ihr Comeback an. Die schwedischen Riesen von Pouppee Fabrikk haben ebenfalls ein neues Album in Vorbereitung. Jetzt kann man beklagen, dass NEP früher härter waren oder das der neue/alte Drummer Jason Payne nicht so gut aussieht wie Kourtney Klein. Allein es ändert nichts an der Tatsache, dass ein Comeback genau so aussehen muss. Ein Nebenprojekt starten, live die Klassiker der Hauptband einbauen und damit ein gemischtes Publikum rocken, Gastauftritte wie bei Client starten, mit den Krupps einen Genre-Klassiker neu aufnehmen, erste neue Songs auf Compilations packen, touren und dabei Hallen und Festivals auf links drehen und damit die Erwartungen immer weiter in die Höhe schrauben.
Und am Ende ein Album wie „Industrial Complex“ aus dem Hut zaubern, die Erwartungen übererfüllen und als I-Tüpfelchen für Depeche Mode eröffnen. Nitzer Ebb liefern ein Album ab, dass eben nicht nur gut ist, sondern ein echter Hammer. Die beste CD seit langer Zeit und sie wird auch nicht leicht zu toppen sein. Und das sage ich im vollen Bewusstsein, dass für 2010 neue Alben von Covenant, Nine Inch Nails, Skinny Puppy oder auch Die Krupps angekündigt sind. Macht diese Welt ein klein wenig gerechter und kauft dieses Album!