Es gibt Momente, in denen zwei Welten aufeinandertreffen und man sich fragt: Warum eigentlich erst jetzt? 'Nine Inch Nails' und 'TRON' sind so eine Begegnung. Das Industrial-Duo aus Trent Reznor und Atticus Ross, bekannt für ihre oscargekrönten Soundtracks zu 'The Social Network', 'Soul' oder zuletzt 'Challengers', vertont nun mit 'TRON: Ares' den dritten Teil der legendären Disney-Reihe. Und diesmal nicht nur als Komponisten – sondern ganz offiziell unter dem Bandnamen 'Nine Inch Nails'. Schon das ist meiner Meinung nach ein fettes Statement.
Seit über drei Jahrzehnten gilt Reznor als Architekt des elektronischen Schmerzes, als jemand, der Maschinen fühlen lässt. Zusammen mit Ross hat er in Hollywood längst bewiesen, dass sich rohe Industrial-Texturen und feine Emotionen nicht ausschließen müssen. Nun also TRON – jenes Science-Fiction-Universum, das seit 1982 für leuchtende Datenströme und musikalische Visionen steht. Nach Wendy Carlos’ bahnbrechender Synth-Pionierarbeit im Originalfilm und Daft Punks glänzendem Retro-Orchester für 'TRON: Legacy' übernehmen nun zwei Klangalchemisten, die keine Angst vor Schatten haben.
Schon der Opener 'Init' lässt keinen Zweifel: Hier geht es nicht um heroische Melodien, sondern um Energie, Reibung, Spannung. Der Sound ist roh, kantig, organisch – als hätte jemand das alte Grid in einem dunklen Serverraum wiederbelebt. 'Nine Inch Nails' verzichten weitgehend auf orchestrale Pracht, stattdessen verschmelzen verzerrte Beats, modulierte Synthesizer und rauschende Flächen zu einer pulsierenden Maschinenarchitektur. Das Ergebnis ist ein Soundtrack, der sich nicht anpasst, sondern den Film mitbestimmt.
Die Single 'As Alive As You Need Me To Be', produziert mit Boys Noize, zeigt Reznor in selten verletzlicher Form. Sein Gesang schwebt über hämmernden Sequenzen und klingt wie ein menschlicher Herzschlag im digitalen Nirwana. Noch überraschender ist das Duett 'Who Wants To Live Forever?' mit der spanischen Sängerin Judeline – kein Cover, sondern eine fragile, melancholische Ballade, die sich inmitten der industriellen Kälte wie ein Sonnenstrahl anfühlt. Diese Balance zwischen Mensch und Maschine, Härte und Zerbrechlichkeit, zieht sich durch das gesamte Werk.
In den instrumentalen Stücken erforschen Reznor und Ross Klangräume, die irgendwo zwischen John Carpenter, Wendy Carlos und Tangerine Dream liegen – düster, hypnotisch, manchmal fast meditativ. Stücke wie 'Daemonize' oder 'New Directive' erzeugen diese eigentümliche NIN-Magie: Musik, die nicht nur gehört, sondern gespürt wird. Es ist ein Soundtrack, der genauso gut in einer dystopischen Kirche wie in einer Neonmetropole funktionieren würde. Während Daft Punk einst die glitzernde Oberfläche der digitalen Welt feierten, graben 'Nine Inch Nails' nun darunter. 'TRON: Ares' ist weniger Hochglanz, mehr Riss im System – eine musikalische Metapher für Datenrauschen, Selbstzerstörung und das unbändige Verlangen nach Kontrolle. Dass der Film laut Regisseur Joachim Rønning auch stärker in der realen Welt spielt, passt perfekt zu diesem Ansatz. Die Musik wirkt geerdeter, staubiger, körperlicher – als wäre das Grid plötzlich aus Beton statt aus Licht.
Ein kleiner Wermutstropfen: Das physische Album kommt doch eher schlicht daher – dünner Karton, kaum Booklet, ein wenig Energiesparmodus-Ästhetik. Für ein Werk dieser Wucht ist das schade, auch wenn es fast ironisch zu Reznors Anti-Glamour-Haltung passt. Am Ende bleibt ein Soundtrack, der mehr ist als bloße Filmbegleitung. 'TRON: Ares' funktioniert auch ohne Leinwand, als in sich geschlossenes NIN-Album voller Energie, Emotion und Substanz. Es ist fordernd, düster, kompromisslos – aber genau das macht seinen Reiz aus. Wer 'Nine Inch Nails' liebt, bekommt hier pures Adrenalin in Audiogestalt. Wer 'TRON: Legacy' wegen seines orchestralen Glanzes mochte, wird sich womöglich umgewöhnen müssen. Doch wer bereit ist, das Neonlicht hinter sich zu lassen und ins Dunkel zu tauchen, findet hier eine der intensivsten Klangreisen des Jahres.
Nine Inch Nails - Tron: Ares (Original Motion Picture Soundtrack)
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