Beide sind keine unbeschriebenen Blätter mehr, wenngleich sie eher zur zweiten bis dritten Reihe der Electro-Musiker gehören. Kay S. kredenzt als Chainreactor der geneigten Hörerschaft auf die Quintessenz eingedampfte EBM- und TBM-Nummern, während Markus H. bei reAdjust melodieinduzierte Körpermusik komponierte und als Teil von Fractal Age auch mal dem melodischen Wave zugeneigt war. Kurzum: Beide Männer sind schon seit einger Zeit musikalisch in der Schwarzen Szene aktiv, wenngleich mit eher überschaubaren Erfolg. 

Als Neuroklast verlassen sie ihre Komfortzone und bringen mit "Streetkid" einen neuen Sound aufs Tablett, der sich von jenem ihres Vorgängers "Beyond The Blackwall" noch einmal unterschiedet. Das neueste Werk übergeht die üblichen EBM-Stereotypen und fügt dem Grundgerüst mit Betonung auf eine Vierviertel-Bass-Drum brachiale und gleichzeitig eingängige Elektronik mit viel Neonlicht und Stroboskopgewitter hinzu. Gleich geblieben ist die Bestrebung, ihren Sound mit ohne Text darzureichen. Genauer gesagt legen sich die Songs von "Streetkid" aus folgenden Bausteinen zusammen: einer tonnenschwere Basssektion, hervorgerufen durch wummernde Beats und sägenden Linien, effektbeladenen Sequenzen sowie atmosphärisch passenden Sprachsamples. Das alles klingt in erster Linie nicht neu. Man kann andere Projekte wie Combichrist oder Soman ins Feld führen, um treffliche Parallelen zu finden. Es wäre daher sicherlich nicht vermessen zu sagen, dass Neuroklast Stücke der beiden oben genannten zumindest schon mal irgendwo in der Diskothek gehört und zumindest als interessant befunden haben. 

In diesem Album offenbaren sich nun sowohl Stärken als auch Schwächen des Duos. Auf der Habenseite steht ohne Zweifel der ausnahmslos druckvolle Sound, der sich für die Dunkeldiskotheken mehr als eignet. Ein Stück wie "Netrun" oder das kompromisslose "Simulation Whore" drehen einem bassbedingt die Eingeweide auf links. Aber genau das ist auch ein Problem: Für eine Handvoll Nummern mögen solche Vorlagen aus der Abteilung "Attacke!" sicherlich funktionieren, auf Albumlänge schleicht sich aber spätestens nach dem Titelsong so etwas wie ein Gewöhnungseffekt ein, was den Nummern den Reiz nimmt. Das Kay-Markus'sche Muster wird zu schnell durchschaubar, was den Höregenuss gegen Ende etwas schmälert. Lediglich "Urban Tribes", eine Gemeinschaftsarbeit mit Ivardenshere, bricht sanft aus dem gängigen Muster aus und erinnert in seinen Tribal-Sounds an die formidablen Tracks eines Juno Reactor. Dagegenhalten könnte man allerdings das Argument, dass Neuroklast eben diese Homogenität auf musikalischer Ebene schaffen wollten, um ein ganzheitliches Erlebnis zu erzeugen. Am Ende jedoch lässt das Zweiergespann ihre eigentlichen musikalischen Talente bei "Virtual Religion (feat. Razorchild)" aufblitzen. Gerade solche Songs hätte man sich öfters gewünscht, weil sie das Album insgesamt aufgelockert hätten.

Unter dem Strich aber bleibt dennoch ein solides Album, das vom Cyber-Punk inspiriert wurde und von Neuroklast mit seinen Mitteln weitergeführt wird - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Eine größere Portion Chuzpe und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten hätte dieses annehmbare Werk jedoch zu einem Meisterstück avancieren lassen können. Stellt man aber "Streetkid" in Relation zum Vorgänger (und bedenkt man, dass Neuroklast gerade mal zwiei Jahre lang existiert), kann man sicher sein, dass hier noch nicht das letzte Wort gesprochen worden ist. Die Band befindet sich zweifelsohne auf dem richtigen Weg.