Nachtmystium kehren mit ihrem ersten richtigen Album beim neuen Label Prophecy zurück, drogenfrei und vorwärtsgewandt. Liest sich gut, oder. Vorbei die Tage der heroingeschwängerten Untaten, insbesondere der betrug an Label und Fans, wenn es um bezahlte Bestellungen ging. Dass da einiges weiterhin aussteht sei doch dem guten Mann verziehen, denn nun möchte er bei einem neuen, freundlichen und wohlgesonnenen Label besser handeln und uns 'Blight privilege' vorstellen.
Dass er in einem Interview das sogenannte White privilege ab einer gewissen Armut in Frage stellt um Kritik an Obrigkeiten zu formulieren, dabei aber ignoriert, dass dieses auch in unteren Schichten besteht sei geschenkt – ich bin ja schon froh, wenn im Black Metal keine offensiven Rechtsaußen Verbindungen, Symbolik und Texte auftauchen. Aber die Entscheidung von Label und Band, „Predator phoenix“ mit einem Musikvideo zu unterlegen, dass negative Zitate aus dem Netz zusammenfasst und damit die Gruppe derer Fans mit einzuschließen, die betrogen wurden.... Das finde ich unangenehm. Insbesondere, da der Refrain aus dem Kontext gerissen ein wiederholtes „No remorde“ Shouten ist, also „Keine Reue“. Gut, Bandkopf Blake Judd scheint sich in der Arschloch-mir-kann-niemand-was-und-ich-mach-mein-Ding Rolle zu gefallen und ist ja auch irgendwie Black Metal und Nachtmystium haben inzwischen einen Statur, der auf Kern Fans alter Tage verzichten kann, die betrogen wurden. Da gibt es genügend, die diese Arschloch-Attitüde vielleicht sogar cool finden. Bei Prophecy bin ich verwundert-enttäuscht. Ja, es gab schon in der Vergangenheit immer mal wieder Entscheidungen, die ich eher fragwürdig empfand (Hallo Orplid, ahoi Vrimoud), aber da könnte man ja sagen, dass Polik keine Rolle spielen soll. Aber jetzt damit deutliche Werbung zu machen, dass ein unter Vertrag stehender Musiker betrog. Tjoa..., das ist ein Selbstverständnis, das in meinen Augen wenig empathisch ist. Und wenn man dann im Promotext nur benennt, dass Judd in der Vergangenheit kontrovers handelte, ohne den Elefanten im Raum zu benennen find ich schade.
Und trotzdem, bei aller moralisch fragwürdiger Entscheidungen, ist 'Blight privilege' ein Album, dass nun im Handel stehen wird und wenn ich ehrlich bin, geht es mir auch 2024 mit Nachmystium so, wie in den Jahren seit 'Assassins', 2008: Nachtmystium sind eine Band mit eigenständigen Sound, die in guten Momenten den USBM vorangebracht haben und ungemein schmissige, mitreißende Kracher rausbrachten und sich dabei nicht scheuten, poppige und jazzige Elemente in ihren Krach miteinzubauen. Aber immer waren die Alben für mich immer Stückwerke und auf den meisten Alben fanden sich nur 1 bis 3 Titel, die ich wirklich gut empfand und eine Menge Füllstoff, den ich nie wieder hörte. Aktuell sehe ich das oben benannte „Predator phoenix“ und „Conquistador“ als die Titel, die mir gefallen. Insbesondere ersteres ist so unverkennbar Nachtmystium und lässt mich kaum ruhig sitzen. Es gibt aber so viele Elemente auf dem Album, die mich ratlos oder genervt zurück lassen: „A slow decay“ beginnt mit einer an American Gothic oder Country erinnernden Gitarrenmelodie, wirklich schön verankert im Nachtmystium Sound, nur um dann nach 3:40 Min abrupt unterbrochen zu werden und den Flow des Liedes zu vernichten. „Blind spot“ beginnt stark, verliert sich dann aber irgendwann in dahintreibende Belanglosigkeiten und wird belanglos und nervig fortgesetzt mit „The arduous march“. Der Opener und der abschließende Titeltrack rahmen das Album gut, aber nicht sehr gut. Oft fehlt mir auf dem Album die Emotionalität der vergangenen Jahre. Insbesondere auf 'The world, we left behind' und meinem Favoriten 'Silencing machine' war ich mehr involviert in das Geschehen. Ob dies nun mit der Sucht, den damaligen Tiefpunkten im Leben Judds und der oft damit einhergehenden Kreativität zu begründen ist – ich weiß es nicht und Judd ist auch nicht die Person, deren Handlungen mich dazu einladen, mich mehr mit seinem Innenleben zu beschäftigen.
'Blight privilege' ist wahrscheinlich das schlechteste, weil am wenigsten besondere Album seit 'Assassins', kann aber nicht als schlecht bezeichnet werden. Freunde des Sounds, die Nachtmystium weiterhin unterstützen, werden wieder schöne Momente erleben. Ich persönlich halte es wie mit vergangenen Releases und lasse 'Blight privilege' links liegen, weil es so viele Alben im Black Metal gibt, die weniger Füllstoff haben. Diejenigen, die das Album bestellen wollen, sollten dies auf offiziellen Seiten von Prophecy tun und nicht auf den bandeigenen Pages, nur für den Fall, dass Judd rückfällig und damit wieder geld-bedürftig wird.Und die ersten beiden Absätze werde ich mir insbesondere mit Blick auf ein Label merken, mit dem ich so viel Positives verbinde.
Nachtmystium - Blight privilege
01.11.2024 / Prophecy Productions
https://de.prophecy.de/Artists/Nachtmystium/Nachtmystium-Blight-Privilege-spkr.html
01. Survivors remorse
02. Predator phoenix
03. A slow decay
04. Conquistador
05. Blind spot
06. The arduous march
07. Blight privilege