Das Projekt ist gerade mal ein Jahr alt, die Betreiberinnen und Betreiber von Milicent gehören jedoch bereits seit Jahren zum Inventar der Schwarzen Szene im Allgemeinen und der Stuttgarter im Besonderen. Valerio Kuhl hat sich zuvor als Tastendrücker bei XTR Human einen Namen manchen können und bei Stuttgart-Schwarz-Veranstaltungen als DJ mitgewirkt. Mit Sängerin Simone Mayer und Gitarristin Janey Schumacher - letztere war bei den Ineffective Painkillers aktiv - hob er Milicent aus der Taufe.

Der Name ist gleichzeitig die Hauptakteurin des Debütalbums "Myrsky". Der Plot ist schnell erzählt: Die 17-jährige Milicent versucht, sich umzubringen und fällt in ein Koma. Doch die kurze Szene ist nur das Vehikel, um eine gedankliche Achterbahn zu starten und die Themen, die sich um den (missglückten) Freitod drehen, wie eine Mindmap über das Album zu verteilen. Angst, Trauer und Dunkelheit zählen dazu, aber auch Träume, Liebe und Freundschaft.

Das Dreiergespann findet für die Szenerie auf "Myrsky" die richtigen Töne. Die im Post Punk und Dark Wave verwurzelten Sounds werden mit der teils somnambulen Vortragstechnik von Simone kombiniert. So entstehen acht surreal-düstere Nummern, in denen sich die Hoffnungslosigkeit in seiner ganzen Größe entfalten darf. Der Erstling tastet sich dabei erst einmal an die musikalische Idee, die hinter Milicent steckt, heran.

Experimentellere Stücke wie "La Fontaine", bei dem Valerio und Simone nicht uncharmant französische Texte vortragen und sich dabei in die Nähe der Wave-Heroen Opera Multi Steel annähern, gehören ebenso dazu wie der Wille, "catchy" Songs zu schreiben, die sich auch auf der Tanzfläche gut machen würden (Valerios DJ-Tätigkeit  wird ihm da sicherlich eine Hilfe gewesen sein). Mit "Soul" und "Fia & Nox" gelingt das sogar richtig gut. Sie belegen Milicents vorhandenes musikalisches Konzept, das sich auf ihrem Debüt bereits in Teilen bemerkbar macht.

Dass "Myrsky" aber nicht die höchsten Weihen empfängt, liegt vor allem an den teilweise doch zu vorhersehbaren Klängen, wie sie sich in "Cosmic Joke" wiederfinden. Die Gitarre gniedelt gedankenverloren vor sich hin, der Beat pumpt stoisch schwarzen Nebel auf die Tanzfläche und Synthesizer breiten purpurne Gaze aus. Ein sicherlich atmosphärisch dichter Song, der sich aber an Althergebrachten bedient und somit nicht unbedingt überraschend klingt.

Von dieser Sorte Songs, bei denen das Trio scheinbar auch ein bisschen auf Nummer Sicher gehen wollte, finden sich dann doch ein paar mehr. Dass wir uns nicht falsch verstehen: Hier jammern wir auf hohem Niveau, denn produktionstechnisch wie konzeptuell gibt es an "Myrsky" so gut wie nichts auszusetzen. Doch fällt das Album angesichts vieler guter Veröffentlichungen in diesem Jahr im Vergleich etwas ab.

Man muss "Myrsky" eben als das sehen, was es ist: Ein typischer Erstling, der sich mit einigen Highlights schmücken kann, der aber auch offenbart, dass Milicent noch ein bisschen Angst vor ihrer eigenen Courage haben. Das Fundament ist jedenfalls gelegt; es würde nicht verwundern, dass nach dem mehr als nur annehmbaren "Myrsky" Milicent mit den nachfolgenden Veröffentlchungen (eine zweiteilige EP-Reihe sei nach Angaben der Band schon in der Realisierungsphase) ihr musikalisches Profil weiter konkretisieren.