Mandrake aus Deutschland präsentieren dieser Tage ihr (wenn man der Homepage glaubt) viertes Album und haben das Baby „Mary Celeste“ genannt. Passend zur Geschichte des englischen Geisterschiffes von 1872 sieht man auf dem Cover ein Segelschiffchen und der männliche Teil der Mandrake-Mannschaft ist fürs Foto in den passenden Seemannsklamotten aus der Kombüse gehüpft. Eine knappe Stunde Musik wollen uns die Ostfriesen verkaufen und so wie sie das machen könnte sich der Gang zum örtlichen Tonträgerdealer durchaus lohnen. Doch zunächst das Offensichtliche : Wie auch schon beim Vorgänger („Balance of blue“ von 2005) kann man auf dem Cover erkennen, durch welche Gewässer geschippert wird. Eine Metalband mit einer hübschen Dame (Birgit Lau), das kann doch nur.... ja, das kann doch nur....
...wer die letzten Jahre nicht im Musikantennirvana verweilt hat wird nun tourettartig „Nightwish, Within Temptation, Evanescence“ herausrufen und damit liegt man durchaus richtig. Harte Gitarren und weiblicher Gesang sind nun wirklich nichts Neues und der Versuch allein kann schon abschreckend wirken – warum also sollte man sich denoch die Takelage der „Mary Celeste“ hinaufschwingen ? Der größte Vorteil, den Mandrake zu bieten haben ist, daß eben besagte Sängerin nicht so gut singen kann oder will wie die 'großen' Vorbilder. Das klingt zwar komisch, ist aber ein durchaus berechtigtes Argument : „Nightwish“ (noch mit Träller-Tanja; ich weiß nicht, wie die Neue klingt) waren einfach durch die klassische Ausbildung im starken Vorteil. Within Temptation Nebelsirene Sharon Janny den Adel versucht, Gläser zum bersten zu bringen. Mandrake erkennen (absichtlich hoffe ich), daß man nur wie eine Kopie wirkt, wenn man irgendwie den beiden nacheifert und schippern in eine andere Richtung: Der Gesang ist nicht in den Vordergrund gemischt um als einziges Kaufargument omnipräsent zu erscheinen, häufig gibt es sogar längere Passagen ganz ohne Gesang.
Das gibt der Instrumentalfraktion genügend Raum und den nutzt die Schiffscrew mit hörbarer Spielfreude. Gut, ansich bleibt es eben Metal und Mandrake erfinden den Schiffsrumpf nicht neu. Denoch verstecken sich hinter zum Teil wunderbaren Melodien kleinere Überraschungen, schöne Takt- und Melodiewechsel und eine Atmosphäre, die so romantisch und sehnsüchtig ist wie die weite See. Daß der Titeltrack am Anfang der CD steht und am schlechtesten ist ist wirklich schade, denn das schreckt zunächst ab. Auch die beiden folgenden Titel klingen eher nach Standartkost. Deswegen sollte man zum Reinhören gleich zu Nummer 4 skippen, denn ab dann wurden die Planken ordentlich geschrubbt und die Reise gewinnt an Fahrt. „Forgiven“ „Adore“ und „Masquerade“ kommen nacheinander und sollen meine Anspieltipps sein. Wirklich gelungenes Songwriting und „Masquerade“ überrascht mit einem kinderabzählreimartigen Gesang (was für ein Wort) und einer so fesselnden Instrumentierung, daß ich den Song auch Tage nach dem Erstkontakt nicht aus meinen Ohren spülen konnte. Der ist so gut, daß es nochmal einen Extra-1/2-Punkt in der Wertung gibt (auch wegen dem gelungenen männlichen Gesang, der eine softe Seefahrerromantik an den Tag legt und gerne öfters erklingen dürfte)! Insgesamt verläuft die Fahrt sehr angenehm und es bleiben einige Eindrücke zurück die dazu veranlassen, sich immer mal wieder auf die Reise zu begeben.
Einziger wirklicher Kritikpunkt ist die Vermarktung des Trademarks „Frau singt zu Metal“ auf dem Cover – das muß einfach nicht sein und die „Mary Celeste“ alleine hätte vollauf genügt. Mandrake sind eine wirklich gute Band und haben es nicht nötig, alles um den Gesang kreisen zu lassen. Sie wären viel besonderer, wenn sie gerade versuchen würden das Element des weiblichen Gesangs nicht so wichtig erscheinen zu lassen. Ach ja, die Standart-Herzschmerz-Ballade am Ende ("Paralysed") hätte auch nicht unbedingt Not getan....