Wer die Rezension des Robopop-Samplers aufmerksam gelesen hat, erinnert sich vielleicht noch an Macondo, die zu dieser Compilation den Song „Disappointed“ beigesteuert hatten. Ein verspielt arrangierter, unkomplizierter und schmeichelnder Pop-Song voller Ironie und vor allem biographischer Züge des Duos. Macondo, das sind also Wayne und Vickie, die beide in der britischen Grafschaft Essex leben, genauer gesagt im Städtchen Grays, einem der vielen oft tristen und grauen Suburbs von London, dem unbestrittenen Mekka der meisten Trends und Hypes und der szenigsten Menschen (nicht nur) in ganz Europa. Musik von der Insel – zumindest im Independent-Bereich – umwehte schon immer ein besonderes Flair, das nicht erst im Aufziehen der nicht mehr ganz so neuen „Brit-Pop“-Schublade gipfelte. Nicht ganz Brit-Pop, denn es fehlen die charakteristischen Gitarren, sondern Synthpop der Marke „very british“ in wunderbarer old school Tradition ist das Steckenpferd von Macondo, den sie auf ihrem Debüt-Album „Up here for thinking, down there for dancing“ auf eine charmante und „catchy“ Art und Weise zu Gehör bringen. Bei Macondo ist Synthie-Pop noch so, wie er sich am besten anhört: analoge Synthies, weiche, harmonische Stimmen, die gelegentlich der elektronischen Verfremdung anheim fallen, eine angenehm und nicht überzogene, club- und tanztaugliche Bassline und – mal mehr, mal weniger – androgynes Plastik-Feeling. So treten Macondo in die Fußstapfen der englischen Synthie-Pop-Größen, die alle aufzuzählen es wohl müßig und uninteressant wäre, und kombinieren ein suburbanes Lebensgefühl mit unschlagbarem britischen Humor und außergewöhnlichem synthetischen Sound. Die Songs präsentieren sich allesamt von einprägsamer Unaufdringlichkeit, die mit ihrem unbeschwerten, zum Teil fast Kinderliedhaftem Charme und zuckersüßen Melodien für ein sehr angenehmes Gefühl im Kopf und in den Beinen sorgen. Dabei zieht sich immer eine Spur Melancholie durch die so leichtfüßig wirkenden Arrangements, die vor allem in den schön harmonierenden Stimmen von Wayne und Vickie Ausdruck (z.B. „You’ll never walk alone“ und „Club Super“) findet. Sie erzählen Geschichten aus ihrem gelegentlich tristen Alltagsleben im Städtchen Grays an der M 25, die kreisartig um ganz London herumführt, quasi eine Art Münchner Mittlerer Ring, nur viel größer und viel, viel voller. Ob die notorische Unlust am nine-to-five-Job („Disappointed“), die fast an Verzweiflung grenzenden Langeweile („Something’s got to happen soon“) oder das etwas zweischneidige Schwert, einerseits frei und ungebunden, andererseits aber vollkommen mittellos zu sein („Saturday Boys“) - mit frechem Wortwitz und hintergründigem Humor geben Wayne und Vickie hier einen Einblick in ihre persönliche Gefühls- und Lebenswelt. In „He’s got a gun“ ist gar von einem Jungen die Rede, vor dem man sich besser hüten sollte, denn dieser ist im Besitz einer Pistole und womöglich jederzeit bereit, zu schießen. In den Betonburgen der Suburbs durchaus denkbar? Dazu ein fast verträumter, schmusiger Synthiesound, der Herzen öffnet. Ironie par exellence. Immer wieder zeigen Macondo auch ihre beatlastigere, dancige Seite ohne jedoch in die Electro-Schiene abzudriften und sich gängier Trance-Basslines zu bedienen. „Live life to the min“ und vor allem „Local Boy’z“ sind feine Beispiele dafür und absolut clubtauglich. Mag das Album beim ersten Durchhören relativ belanglos und oberflächlich vor sich hin plätschernd erscheinen, ist doch jeder Song ein kleines, mit Liebe zum Detail geschliffenes Edelsteinchen, das mit seinen kritischen und denkwürdigen Lyrics viel Spaß macht anzuhören und so unglaublich original – aber nicht roh! – klingt. Synthie-Pop muss – wie es die musikalischen Vertreter unseres Landes oft zwanghaft versuchen – nicht immer „richtig flott“ und „fetter produziert“ daher kommen, was aber sicher auch nicht verkehrt ist und meist für volle Tanzflächen sorgt. Weniger ist manchmal eben auch mehr, wenn es nur gut gemacht ist. Macondo haben das fein gemacht. Konstatiert wird hiermit ganz unumwunden: “made in Britain is made with love“. A pint of ale, please!