Meine Güte, das ich das noch erleben darf – ein neues Album von „London after Midnight“! Vor Jahren angekündigt und immer wieder verschoben, wuchsen meine Bedenken und Sorgen, dass es diesem Album wie "Chinese Democracy" von „Guns n’ Roses“ ergehen würde. Doch im Gegensatz zu Axl, kann Sean Brennan sein Versprechen und nach der letzten Ankündigung, für den Release Ende Oktober, Wort halten. Welchen schwerwiegenden Prozess „Violent Acts of Beauty“ hinter sich hat, könnt ihr ausführlich im Interview mit Sean Brennan erfahren, welches ihr hier findet. Endgültig zur Gewissheit wurde es jedoch erst, als es in meinen Händen lag – aus Illusion wurde Realität! Und diese Realität hat es in sich. Sean Brennan hat ein Werk kreiert, wie geschaffen für die heutige verstörte Welt. Hier trifft Schönheit auf abgrundtiefe Hässlichkeit, Harmonie auf totale Zerstörung und himmlische Melodien auf teuflische Texte. Gleich der Opener, mit seinem Abgesang auf die derzeitige Generation, macht es deutlich - gekuschelt wird später…Kompromisslos und für einen Opener ungewohnt sperrig, preist Sean den Anfang vom Ende. Ein an NIN erinnerndes Stück, welches im zweiten Teil etwas auflockert, ohne jedoch die kalte Wut zu verlieren. Nach mehreren Läufen ein Killer. Doch jetzt wird’s erst richtig laut – „Feeling Fascist?“ Marsch Marsch – ein wütender, militanter Stampfer, der LAM @ his best präsentiert: druckvolle Gitarren, wütende, monotone Drums, giftiger aber eingängiger Gesang – das Teil klappt auf jedem Dancefloor. „Nothing’s Sacred“ überrascht zunächst mit atmosphärischer Ruhe und verzögert einsetzenden Electrobeats, entwickelt sich kurz nach dem Gitarreneinsatz zu einer erstklassigen Tanzbeinschwinger. Die maschinengewehrartigen Gitarren im Refrain sowie der wütende Gesang lassen den Körper schwingen bis zur ersten Ruhepause, die nach diesem stürmischen Beginn jedem gegönnt sei. Die erste Ballade erklingt – „Heaven now“! Gefühlvoll singt Sean über Liebe und Tod – die dazugehörige zunächst minimale musikalische Begleitung verstärkt das beklemmende Gefühl und die tiefschwarze Atmosphäre. Wunderschöne Klaviermelodien und träumerische Keyboardschwaden laden zum Fliegen ein, bis es zum Ende hin doch wieder lebhafter wird und sogar die E-Gitarren einsetzen. Er kann es diesmal einfach nicht lassen. Abgerundet wird der saustarke Beginn von der schonungslosen Abrechnung mit der Amerikanischen Politik, in Form von „America’s a Fucking Disease“. Vertrackt, doch sehr eingängig werden uns surreale Soundbögen um die Ohren gehauen, wobei vor allem das Zusammenspiel mit einer Flöte in den Strophenparts für eine erfreuliche Abwechslung sorgt – mit auch dieser sehr tanzbaren Nummer schließt für mich mein persönlicher 1. Akt. Der 2. Akt kann dann leider erst mal nicht das vorgegebene Niveau halten. Sowohl „Complex Messiah“, „Republic“ als auch das aggressive „Fear“ pendeln sich im guten Durchschnitt ein. Mit dem langsamen und mit einem wunderschönen Aufbau ausgestatteten „Pure“ sowie dem an gewissen Stellen an einen gewissen Brian Warner erinnernden „The Kids Are All Wrong“ wird es im 3. Akt wieder deutlich besser. Mit „Love You to Death“ folgt kurz vor Schluss nochmals ein Stück, welche problemlos auch auf dem letzten regulären Studioalbum „Psycho Magnet“ (1996!!!) vertreten hätten sein können. Ein unheimliche sexy und dabei in düsterer Melancholie gekleideter Song – voller schwarzer Erotik und unheimlicher Atmosphäre - Gänsehaut garantiert! Mit dem Rausschmeißer „The Pain Looks Good on You“ schließt Sean spielerisch den Bogen zu Opener, welcher zwar nicht ganz so vertrackt, dafür mit der gleichen Wut daherkommt! Fazit: Elf Jahre hat es gedauert, doch das Warten hat sich gelohnt. Mit „Violent Acts of Beauty“ schafft es Mastermind Sean Brennan meisterlich, an alte Glanzzeiten anzuknüpfen. Von oldschool-mäßigen Schmachtfetzen („Heaven Now“ & “Love You to Death”) bis hin zu modernen Tanzflächenfüllern („Nothing’s Sacred“ & „Feeling Fascist“) ist wirklich alles vertreten. Soviel Vielfalt hätte ich nicht erwartet. Ein rundum gelungenes Album, was der nachwachsenden Düsterfraktion zeigt, wie anspruchsvoller Gothic-Rock zu klingen hat.