Es ist ein Dilemma. Das tolle an "Bound By Naked Skies" von Lathe Of Heaven ist: Es klingt wie eine frühe Killing-Joke-Platte. Das Problem: Es klingt wie eine frühe Killing-Joke-Platte. Die aus Brooklyn stammende Gruppe spielen einen astreinen Old-School-Post-Punk, und das fast schon so gut, dass man meinen möchte, bei diesen Jungs handelt es sich um eine in Vergessenheit geratene Band aus den mittleren 80ern.
Warum aber das Debüt von Lathe Of Heaven dann doch ein sehr respektabler Start einer vielleicht erfolgreichen Karriere ist: Die Gruppe gleicht fehlende Innovation durch explosive Spielfreude sowie energiegeladene und eingängige Songs wieder aus. Dabei beginnen sie mit "Moment's Edge" noch sehr poppig, mit synthetischem Glockenspiel und einer lieblichen Gitarrenmelodie. Es ist der einzige Moment, in denen sich Lathe Of Heaven am melancholischen Pop-Sound der Psychedelic Furs orientieren. Danach jedoch wird stilecht so gespielt, als würde ihnen der Himmel auf den Kopf fallen.
"Ekpyrosis" könnte zu ihrem Signature-Song werden. Sänger Gage Allison alerte Schlachtengesänge werden von einem entfesselten Schlagzeug angetrieben, rollende Bässe und fatalsitische Gitarren komplettieren diesen großartigen Song. Es müsste mit dem Luzifer zugehen, würde "Ekpyrosis" nicht auch als veritabler Tanzflächenentstauber eingesetzt werden. Doch bleibt es nicht bei diesem einen Streich. Auffällig ist jedoch, wie sehr - ob bewusst oder unbewusst - die Gruppe mit ihrem musikalischen Erbe spielt.
Da beginnt "Inertia" beispielsweise mit der markanten Textzeile "I hear her voice". Natürlich bewegt sich dieses Stück in eine ganz andere Richtung, aber allein diese vier Wörter verweisen ganz klar auf The Cures "A Forest". Das nachfolgende "Moon-Driven Sea" funktioniert in ähnlicher Weise: Obwohl weder musikalisch noch textlich in irgendeiner Form ähnlich, erinnert allein die Melodiefolge an "The Killing Moon" von Echo & The Bunnymen. Wohl auch, weil Gage sehr viel melancholische Schwere und eine gehörige Portion Sehnsucht in sein Organ legt.
Die großen Momente entstehen auf "Bound By Naked Skies" jedoch zweifelsohne durch die energetisch auf höchstem Level vorgetragenen Songs. "The Breaking Strain" dürfte sich nach "Ekpyrosis" als weitere eingängige Nummer für die Dunkeldiskotheken dieser Republik empfehlen.
Inhaltlich haben sich die New Yorker dystopischen Science-Fiction-Themen verschrieben. Mit ein bisschen literarischem Wissen kommt man da auch drauf, selbst wenn man noch keine Zeile des Erstlings vernommen hätte. Ihr Bandnamen ist nämlich dem gleichnamigen Roman von Ursula K. Le Guin entlehnt. Die dystopische, an George Orwellls "1984" angelehnte Geschichte wurde hierzulande unter dem Titel "Die Geißel des Himmels" veröffentlicht und gehört zu den großen Einflüssen der Band. Und so gesellen sich zu den fatalistischen, an der Welt verzweifelnden Klängen sinistre Geschichten über die Erde als Ort der enttäuschten Träume und angstvollen Zukunft.
Den Zwiespalt, ob es nun ratsam ist, sich stilstisch so nah an frühe Post-Punk-Heroen (neben Killing Joke könnte man noch Danse Society oder Xmal Deutschland hinzuziehen) ranzuwagen, oder doch versuchen sollte, mehr musikalische Eigenständigkeit anzustreben, kann bei "Bound By Naked Skies" nicht aufgelöst werden. Es empfiehlt sich daher, diese Gedanken einfach beiseite zu schieben, sich dem Album schlicht hinzugeben und es als das anzusehen, was es ist: ein gutes Debüt voll von einprägsamen und nachhaltigen Songs.