Schon mit dem letzten Album "Once Upon A Second Act" von 2020 zeichnete sich der musikalische Wandel dieses Projekts aus Los Angeles ab.  Clint Carney, der kreative Kopf dahinter, begann in den späten 1990ern, Musik zu machen. Anfangs noch im harshen Electroumfeld angesiedelt, war System Syn eine von vielen Truppen dieses Genres, die zwar eine solide Fangemeinde (und mit Out Of Line einen starken europäischen Vertriebspartner) erspielen konnten, aber nie zur ersten Garde vorgedrungen sind. Doch während der ersten kreativen Hochphase in den 2000ern, als Clint es auf beachtliche acht Alben in zehn Jahren gebracht hat, hat sich ein geschmeidigerer, poporientierter Sound immer stärker durchgesetzt.

Die Eingängigkeit der Stücke auf "Kill The Light" steht allerdings nicht im Vergleich zu seinen früheren Werken. Clint traut sich nun, seine Stimme nahezu ohne Verfremdungseffekte zu präsentieren. Eine der besten Entscheidungen, denn der sanfte und doch eindringliche Klang seines Organs fügt sich perfekt in seine Kompositionen ein. Dass er stellenweise, wie in "Everything Is Different Now" die Töne nicht immer ganz sauber trifft, kann man ihm nachsehen. Denn der ungefilterte Gesang lässt vor allem die Emotionen ohne Hindernisse auf die Hörerschaft aufprallen, was die Lieder unmittelbar in ihrer Wirkung macht.

Denn bei Clint Carney geht es genau darum: Emotionen. Und auch um seine Kämpfe als Künstlers: "die for art" wiederholt er plakativ im Titelsong seine Maxime. Doch was die Aufopferung für die Kunst für Konsequenzen mit sich bringt, ist das vielleicht größte Mysterium für die breite Masse, die sich gerade in der Pandemie als besonders trivial ausgab und den darbenden Malern oder Musikern den weisen Rat zusteckten, es doch mal mit "richtiger Arbeit" zu versuchen.

Was nicht verstanden wird: Künstler machen Kunst nicht aus Amüsement, sondern weil sie davon getrieben sind. "Kill The Light" schafft es, dieses Gehetztsein auf den Punkt zu bringen. Selbst in den glasklaren Future-Pop-Momenten wie bei "Where Is The Love I Was Promised", "Goodbye Fellow Traveller" und "The Light Was A Lie", welche auf einer Stufe mit den wunderbaren Nummern aus der Feder von Vasi Vallis (NamNamBulu, Frozen Plasma) stehen, wird deutlich, dass Clint über sich erzählen will und muss. 

"Too many words died inside me. They wanted to scream but they couldn't break free." Ausdrucksstärker als dieses Bild, das der Musiker in "Endless" zeichnet, kann Verzweiflung nicht zu Papier gebracht werden. Der hüpfende Beat und der nur leicht melancholische Synthieklang stehen dabei fast diametral dem fatalistischen Text gegenüber. Diese Spannung aus Wohlklang und betrübter Lyrik bilden das stabile Fundament des Albums.

"Kill The Light" ist ein wahrer Glücksfall. Zum einen, weil es eine in Noten gepackte Selbstvergewisserung des Musikers geworden ist, der sich zu einem letzten, für ihn radikalen, Schritt entschlossen hat, der ihn vom Düster-Electro endgültig wegtreibt hin zu einem eingängigeren, aber immer noch nachdenklichen Synth-Pop. Gleichzeitig heben sich die Sujets der Texte deutlich von dem ab, was man ansonsten angeboten bekommt. System Syn hat nach mehr als 25 Jahren künstlerischen Schaffens sein bislang bestes, ambitioniertes und detailverliebtestes Werk vollendet, an das er sich in Zukunft gerne orientieren darf, wenn die Muse ihn wieder küsst.